1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Schweiz, einen Theil von Italien, Spanien und Ungarn ausdehnte. Karl
hat selber zwei und vierzig Feldzüge gemacht und war mit fast unbegreif-
licher Schnelligkeit überall da, wo sein mächtiger Arm zum Schutze der
Grenzen seines Reiches nötig war. Mit wenigen Ausnahmen war er
überall siegreich. Am schwersten war für ihn der Krieg gegen die heidnischen
Yachsen, die er erst nach einem drei und dreißigjährigen Kriege sammt
ihrem mächtigen Fürsten Wittekind zur Unterwerfung und Annahme des
Christentums brachte. Damit waren sie freilich noch nicht zu rechten
Christen gemacht; aber es konnte nun doch der Same des Wortes Gottes
unter ihnen ungestört ausgestreut werden.
2. In seiner Lebensweise war er ein schlichter Mann und ging cin-
sach einher, wie die übrigen seines Volkes Er trug ein leinen Wams und
eben solche Beinkleider, einen Rock von einheimischen Tuch mit einem
seidenen Streifen besetzt, Schuhe, die mit verschiedenfarbigen Bändern an
die Füße befestigt waren, und bisweilen einen kurzen, weißen oder grünen
Mantel. Aber stets hing ihm ein großes Schwert mit goldenem Wehr-
gehäng an der Seite. Nur an Reichstagen und hohen Festen erschien er
in voller Majestät mit einer goldenen, von Diamanten strahlenden Krone
ans dem Haupte, angethan mit einem lang herabwallenden Talare, der mit
goldenen Bienen wie übersät war. Sonst haßte er ausländische Kleidung.
Mit Unwillen bemerkte er, wie seine Edlen sich in seine, seidene Gewänder
kleideten. Er war ein echt deutscher Mann, maß sieben seiner eigenen
Fußlängen, und seine Gestalt war von hoher Würde. Seine überaus
lebendigen Angen leuchteten dem Freunde und Hilfeflehenden freundlich, dem
Feinde aber furchtbar. Er war der beste Fechter und Schwimmer unter
seinen Franken, im Essen und Trinken nüchtern, unermüdlich thätig. Sein
Schlaf war kurz; selbst des Nachts stand er von seinem Lager auf, nahm
Schreibtafel und Griffel, um sich in der in seiner Jugend versäumten
Schreibknnst zu üben oder zu beten. Auch stellte er sich dann ans Fenster
und betrachtete ehrfurchtsvoll und mit Bewunderung den gestirnten Himmel.
Früh während des Ankleidens schon schlichtete er Streitigkeiten, und bei
Tische hatte er den Brauch eingeführt, aus guten Büchern vorlesen zu
lassen, vor allem aus einer trefflichen Schrift des heiligen Augustinus.
Zweimal des Tages besuchte er die Kirche, am Morgen und am Abend,
er hatte eine tiefe Ehrfurcht vor dem Worte Gottes, ließ cs oftmals auf
Pergament abschreiben und las fleißig darin.
3. Mit großem Eifer suchte er der christlichen Kirche in seinem Reiche
aufzuhelfen. Er sorgte für tüchtige Bischöfe und Geistliche und ries be-
rühmte Gelehrte an seinen Hof. An den Bischofssitzen und in den Klöstern
errichtete er Schulen. Seine Hochschule sollte ein Muster sein für alle
anderen Schulen im Lande, und er achtete es nicht unter seiner Würde,
hier auch einmal selbst Schnlrevisor zu sein. Er gründete viele neue Bis-
tümer, Kirchen und Klöster und beschenkte sie reichlich. Die von ihm
erbaute Kirche zu Aachen schmückte er mit kaiserlicher Pracht, und hier
feierte er am liebsten die hohen Feste. Damit diese nun begangen würden,
wie sich's gebühret, berief er berühmte Lehrer des Kirchengesanges aus
Italien, daß die Franken von ihnen im Gesänge unterwiesen würden.
Denn die Stimmen der rauhen deutschen Kehlen glichen dem Gerumpel
eines Lastwagens, der über einen Knüppeldamm fährt. Auch ließ er
Orgeln in den Kirchen aufstellen. Gern unterhielt er sich mit gelehrten