1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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11. Da schmilzt des Kaisers Strenge in Thränen unbewußt;
er hebt ihn auf, den Bruder, er drückt ihn an die Brust;
ein lauter Ruf der Freude ist jubelnd rings erwacht, —
nie schöner ward begangen die heil'ge Weihenacht.
Mähler.
18. Gregor Vii. und Heinrich Iv.
Unter den Bischöfen der alten Christengemeinden erlangten schon früh
die Bischöfe zu Jerusalem, Antiochien, Alexandrien, Konstantinopel und
Nom ein besonderes Ansehen; das der letzten stieg aber bald am höchsten.
Rom war die Hauptstadt der damaligen Welt und hatte die bedeutendste
Gemeinde. Dort waren die Gräber der Apostel Paulus und Petrus. Der
Bischof zu Rom sah sich als Nachfolger des Apostels Petrus an, der da-
selbst, wie man fälschlich vorgab, erster Bischof gewesen sein sollte, und
wollte deswegen für den Statthalter Christi auf Erden gehalten werden.
Er nannte sich Papst, d. i. Vater. Durch den Frankenkönig Pipin war
er Besitzer des um Rom liegenden Gebietes geworden, und Karl der Große
vermehrte diese Schenkung. Seitdem war der Papst zugleich weltlicher
Fürst. Nach der Übereinkunft zwischen Karl und dem Papste sollte diesem
die Kaiserkrönnng, jenem aber die Bestätigung des neuen Papstes zukommen.
Beide sollten die Oberhäupter der Christenheit im Abendlande sein, der
Papst das geistliche und der Kaiser das weltliche. Aber auf beiden Seiten
geschah viel Unrecht. Eine Reihe gottloser Päpste im 10. und 11. Jahr-
hundert brachte den päpstlichen Stuhl um sein Ansehen, und die weltlichen
Fürsten griffen oft in die Rechte der Kirche ein.
Da bestieg im Jahre 1073 Gregor Vh, früher Hildebrand geheißen,
den päpstlichen Stuhl. Dieser außerordentliche Mann, der Sohn eines
kleinen Grundbesitzers in Toskana, hatte sich durch bedeutende Geistesgaben
vom einfachen Mönch zum Ratgeber von vier auf einander folgenden
Päpsten und zuletzt zum Papste emporgeschwungen. Mit allem Eifer war
er nun darauf bedacht, die Macht des Papsttums zu erhöhen. „Zwei Lich-
ter," sagte er, „regieren am Himmel, die Sonne und der Mond. Die
päpstliche Gewalt ist wie die Sonne, die königliche Macht gleicht dem
Monde. Wie der Mond sein Licht von der Sonne hat^ so sind Kaiser,
Könige und Fürsten nur durch den Papst, der Gottes Stellvertreter und
Christi Statthalter auf Erden ist. Also ist die Macht des päpstlichen
Stuhles weit größer, als die Macht der Throne, und der König ist dem
Papste Unterthan und Gehorsam schuldig." Um nun des Papstes Herr-
schaft recht fest zu gründen, erließ Gregor mehrere wichtige Gesetze. Alle
kirchlichen Würden sollten allein durch den Papst vergeben werden, kein
Fürst inehr das Recht haben, geistliche Stellen zu besetzen. Und damit die
Geistlichen nicht durch die Sorge für Weib und Kind an ihre Fürsten
gebunden, sondern ganz unabhängig von der weltlichen Gewalt, einzig dem
Papste ergeben seien, verbot Gregor aufs strengste, daß die Geistlichen in
die Ehe traten. Jedem, der sich diesen Anordnungen widersetzen würde,
drohte er mit dem Banne.
Bei diesem Manne war der deutsche Kaiser Heinrich Iv. von den
Sachsen wegen mancherlei Bedrückungen verklagt worden. Der Papst for-
derte den Kaiser zur Rechenschaft. Als Heinrich diese Zumutung zurück-