1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Papste getheilt. Rudolf wurde in der Schlacht bei Merseburg tödtlich ver-
wundet und verlor seine Hand. Da rief er aus: „Dies ist die Hand, mit
welcher ich einst Heinrich, meinem Herrn, den Eid der Treue geschworen
habe." Nachdem der Kaiser in Deutschland gesiegt hatte, machte er sich ans
nach Italien und belagerte den Papst in der Engelsburg. Dieser floh nach
Salerno und starb mit den Worten: „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt
und das Unrecht gehaßt; darum sterbe ich in der Verbannung." Seine
beiden Nachfolger erneuerten den Bann, und Heinrich mußte es erleben,
daß seine Söhne sich gegen ihn empörten. Dem Kummer erliegend, starb
er zu Lüttich 1106. Erst nach fünf Jahren löste der Papst den Bann,
und da erst fand die Leiche des unglücklichen Kaisers Ruhe im Kaisergrabe
zu Speier.
19. Die Eroberung Jerusalems.
Im Jahre 1094 erschien in Frankreich und Italien ein Mann in
bloßem Haupte, barfüßig, auf einem Esel reitend. Er nannte sich Peter
und war von Amiens in Frankreich. Ein langes Pilgergewand, von einem
Strick zusammengehalten, umwallte den hagern Leib. Die dürren Hände
hielten ein Kruzifix. Seine großen, dunklen Augen glühten in unheim-
lichem Feuer. Wohin er kam, lief alt und jung zusammen, um den
wundersamen Mann zu sehen und um den Worten zu lauschen, die wie
ein Strom aus seinem Munde flössen. Er kam aus dem heiligen Lande.
Mit grellen Farben malte er die Not, welche die christlichen Pilger dort
von den Ungläubigen zu ertragen hätten. Es sei der Christen Pflicht,
sprach er, in den heiligen Kampf zu ziehen und das Grab, darin der Herr
gelegen, denen zu entreißen, die den Namen des Sohnes Gottes höhnten.
Gewaltig waren die Wirkungen solcher begeisterten Rede.
Der Papst hielt zwei große Kirchenversammlungen ab, auf denen er
die Christen anfeuerte, in den heiligen Kampf zu ziehen. „Gott will es!
Gott will es!" riefen Tausende und aber Tausende. Fürsten, Ritter, freie
Männer und Knechte hefteten sich ein rotes Kreuz auf die Schulter, zum
Zeichen, daß sie zum Zuge ins heilige Land bereit seien. Von allen
Seiten sammelten sich die Kreuzfahrer, während die Fürsten ernstlich
rüsteten.
Schon im Frühling des Jahres 1096 brachen zwei ungeduldige Haufen,
meist zusammengelaufenes Gesindel, nach Palästina aus; aber Hunger,
Seuchen und das Schwert der Türken rieben sie auf, ehe sie das heilige
Land erreichten. — Im Herbste nach der Ernte machte sich der Hauptzug,
ein wohlgeordnetes, gut ausgerüstetes Heer unter Führung Gottfrieds
von Bouillon auf den Weg. Über 100 000 gepanzerte Reiter und
200000 streitbare Männer hatten sich zusammengefunden. Zweimal
wurden die Türken geschlagen. Antiochia wurde nach mouatelanger Be-
lagerung mit Sturm genommen. Nach drei Jahren unermeßlicher Müh-
seligkeiten, welche Hunger, Hitze und Verrat der Griechen herbeigeführt
hatten, erreichten die Kreuzfahrer Jerusalem. Nur 20 Ooo streitbare
Männer begrüßten die Stadt, aber alle Mühsale waren vergessen, Namcu-
lose Wonne ergriff sie; sie weinten vor Freude und küßten den Erdboden
und wären gern gleich eingezogen. Aber die Stadt war ^befestigt und von
60 000 Muhamedanern besetzt. Man schickte sich zum Sturme au; aber