1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Damen vom königlichen Hose mischten sich mit dem Königspaare selbst
unter die Landleute, bis der Tanz der Arbeiter später aus dem Wirt-
schaftshofe fortgesetzt wurde. Darum zog denn auch alt und jung von nah
und fern zum Erntefeste nach Paretz; eine Stadt von Buden, ein wahrer
Jahrmarkt entstand und wimmelte von Käufern und Verkäufern. Unter
ihnen erschien die Königin selbst in dem fröhlichen Gedränge. Sie kaufte
Körbe voll Eßwaaren für die Kinder, die sich um sie drängten, und von
allen Seiten riefen fröhliche Stimmen: „Frau Königin, mir auch was!
mir auch was!" bunt durch einander.
Auch als Friedrich Wilhelm 1797 König geworden war, bezog er mit
feiner Gemahlin nicht das stattliche königliche Schloß in Berlin. Sic be-
gnügten sich mit dem prunklosen Palais, das bisher die Stätte ihres häus-
lichen Glückes gewesen war. Friedrich Wilhelm sagte: „Mein Großonkel
(Friedrich der Große) hat gesagt: Ein tüchtiger Schatz ist die Stütze und
Grundlage des preußischen Staates. Nun haben wir aber nichts als
Schulden. Ich will so sparsam sein, als es möglich ist. Der König wird
mit den Einkünften des Kronprinzen auskommen müssen." Er wie Luise
blieben schlicht und einfach in ihrer Lebensweise. Als der Kammerdiener
vor dem neuen Könige beide Flügelthüren aufriß, da fragte dieser: „Bin
ich denn jetzt so dick geworden, daß eine Thüre für mich zu enge ist?"
Als der Küchenmeister zwei Gerichte mehr auf den Tisch brachte, weil der
Kronprinz nun König wäre, da sagte dieser: „Man glaubt wohl gar, ich
habe seit gestern einen größeren Magen bekommen."
Nach wie vor gingen Friedrich Wilhelm und Luise in Berlin oft
Arm in Arm unter den Linden und im Thiergarten spazieren ohne alles
Gefolge; nur das Volk drängte sich jauchzend um das junge Königspaar.
Den berliner Weihnachtsmarkt besuchten beide Majestäten mit ihren Kindern;
sie kauften Spielzeug und Pfefferkuchen und beschenkten Kinder oder Mütter,
die für ihre Kinder einkauften. Während der König mehr zurückhaltend
und wortkarg blieb, war Luise freundlich und liebreich gegen jedermann.
Oft hob sie Kinder, die am Wege spielten, liebevoll zu sich empor und
herzte sie. Sie neigte sich zu dem Bettler und zu dem alten Mütterchen
am Wege, und wo eine Gabe nicht nötig war, da hatte sie für jeden ein
freundliches Wort. Einst lief ihr im Schloßgarten zu Eharlottenburg ein Knabe
aus Berlin beim Pferdspielen in die Hände, weil er sie nicht gesehen hatte.
Die Hofdame, die die Königin begleitete, wollte ihn tüchtig ausschelten;
aber die Königin unterbrach sie mit den Worten: „Lassen sie nur. Ein
Knabe muß wild sein." Und zu dem Kleinen sagte sie: „Renne nur, mein
Söhnchen, aber falle nicht und bestelle einen schönen Gruß von mir an
deine Eltern."
So wurde das königliche Haus mit seiner ehelichen Liebe und Treue
wie mit seiner Kinderzucht der Stolz und die Freude des ganzen Landes,
ein Vorbild, dem viele nachlebten. Aber diese sonnigen Tage stillen Glückes
gingen bald zu Ende. Mit dem Jahre 1806 brach durch Napoleon das
Unglück über das Land und die Königsfamilie herein. Und ehe noch
Preußen sich erhob und das Joch des Zwingherrn abschüttelte, war die
Königin schon 1810 zu ihrer Ruhe eingegangen. Im Schloßgarten zu
Eharlottenburg liegt sie begraben. Nach Adami.