1903 -
Langensalza
: Schulbuchh.
- Autor: Seidel, L. E.
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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der ihm das Glöcklein vortrug. Da stieg Rudolf von seinem
Pferde, kniete nieder und tat dem hochwürdigen Gute Reverenz.
Nun war es an einem Wässerlein, und der Priester stellte
das hochwürdige Gut neben sich, fing an, seine Schuhe abzu-
ziehen und wollte durch den Bach, der groß aufgegangen war,
waten; denn der Weg war durch Wachsung des Wassers zer-
stört. Der Graf fragte den Priester, wo aus er wollte? Der
Priester antwortete: „Ich trage das heilige Sakrament zu
einem Siechen, der in großer Krankheit liegt, und als ich an
dies Wasser kam, war der Steg zerstört, muß also hindurch
waten, daß der Kranke nicht verkürzt wird." Da hieß Graf
Rudolf den Priester mit dem hochwürdigen Sakrament auf
sein Pferd sitzen und damit zum Kranken reiten und seine
Sache ausrichten, damit der Kranke nicht versäumt werde.
Bald kam der Diener einer zum Grafen, auf dessen Pferd setzte
er sich und ritt dem Weidwerk nach. —
Wie nun der Priester wieder heim kam, brachte er selbst
Rudolf das Pferd wieder mit großer Danksagung der Gnade
und Tugend, die er ihm erzeigt. Da sprach Graf Rudolf:
„Das wolle Gott nimmer, daß ich oder einer meiner Diener
mit Wissen das Pferd überschreite, das meinen Herrn und
Schöpfer getragen hat. Dünkt's euch, daß ihr's mit Gott
und Recht nicht haben möget, so ordnet es zum Gottesdienst.
Denn ich habe es dem gegeben, von dem ich Seel', Leib, Ehr'
und Gut zu Lehn habe." Der Priester sprach: „Herr, nun
wolle Gott Ehr' und Würdigkeit hier in der Zeit und dorten
ewiglich an euch legen." Morgens danach ritt der Graf zu
dem Klösterlein Var, an der Limat zwischen Zürich und Baden
gelegen; da war eine selige Klosterfrau, die wollte er heim-
suchen. Die sprach zu ihm: „Herr, ihr habt gestern Gott dem
allmächtigen eine Ehre bewiesen mit dem Roß, das ihr dem
Priester zu Almusen gegeben habt. Das wird der allmächtige
Gott euch und euren Nachkommen hinwieder begeben, und
sollt fürwahr wissen, daß ihr und eure Nachkommen in höchste
zeitliche Ehr' kommen werdet." —
Danach ist derselbe Priester des kurfürstlichen Erzbischofs
Werner von Mainz Kaplan geworden und hat ihm und anderen