1913 -
München
: Oldenbourg
- Hrsg.: Moller, J., Loeßl, Vinzenz, ,, Zwerger, Fr.
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
173. Deutschland.
361
Da endlich Deutschland infolge seiner Lage in der gemäßigten Zone fast
überall, besonders in den tiefer gelegenen Gebieten, auch ein günstiges Klima
beschieden ist, so erklärt es sich, daß unser Vaterland zu den produktenreichsten
Ländern Europas gehört.
Deutschland, im Herzen Europas gelegen, begünstigt durch hohe Vor-
züge der Natur und bewohnt von einem Volke, das durch ernste und
andauernde Arbeit groß geworden, darf aber auch den Anspruch erheben
nicht bloß der geographische sondern auch der geschichtliche Mittel-
punkt des Erdteils zu sein. Mit dem Eintritt der Gerinanen in die
Weltgeschichte beginnt eine neue Epoche. Deutsche Völkerstämme hindern die
Römer sich im Herzen Europas festzusetzen und stiirzen endlich das morsch
gewordene Weltreich, um auf seinen Trümmern neue, lebenskräftige christ-
liche Staaten zu gründen. Das mit der ganzen Tiefe und Innigkeit des
deutschen Gemüts aufgenommene Christentum tragen deutsche Glaubensboten
zu den skandinavischen Völkern, den Slaven und Magyaren und damit
zugleich höhere Bildung und Gesittung. Vor den Anstürmen barbarischer
Völker des Ostens (der Ungarn, Mongolen und Türken) retten deutsche
Heere die christliche Kultur des Abendlandes. Kaiser und Papst sind im
Mittelalter die „Herrscher der Welt" und das deutsche Volk war bis znm
Beginn des 17. Jahrhunderts das reichste, mächtigste und gebildetste Volk
Europas. Der schreckliche 30jährige Krieg aber stürzte Deutschland von der
Höhe, die es erklommen, und sein Fall wurde das Zeichen zum Ansturm
der umliegenden Feinde und die Ursache ununterbrochener Kämpfe und unsäg-
lichen Elends in unserem Vaterlande und in ganz Europa. Deutschland
ward zum ständigen Tummelplatz fremder Kriegshorden, Grenzmark um
Grenzmark ging verloren.
Erst unter dem Drucke Napoleonischer Fremdherrschaft begannen die zer-
splitterten deutschen Volkskräfte sich wieder zu sammeln. Aber an 70 Jahre
und dreier blutiger Einigungskriege bedurfte es um des Reiches Einheit und
Macht wiederherzustellen. Kein Volk hat seine Einigung jemals mit solchen
Opfern erkauft.
Seitdem ist Deutschland, stark durch seine militärische Macht, ein Hort
des Friedens in Europa geblieben und alle Segnungen des Friedens sind
ihm in reichem Maße zuteil geworden. Handel und Industrie haben einen
ungeahnten Aufschwung genommen; nicht bloß das Großkapital ist gewachsen,
auch die Lebenshaltung der minder bemittelten Kreise hat sich gehoben, die
Auswanderung ist auf ein geringes Maß zurückgegangen und auf nahezu
eine Million beläuft sich die jährliche Zunahme der Bevölkerung im Reiche.
In keinem Großstaat Europas ist die allgemeine Volksbildung so weit
verbreitet, nirgends der Gedanke der nationalen Wehrpflicht tiefer in den
Geist des Volkes eingedrungen, die soziale Gesetzgebung zur Ausgleichung
der wirtschaftlichen Gegensätze weiter fortgeschritten als in unserem Vater-
lande. Auch seine höchsten Güter hat das deutsche Volk zu wahren gewußt: