1913 -
München
: Oldenbourg
- Hrsg.: Moller, J., Loeßl, Vinzenz, ,, Zwerger, Fr.
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
226. Kurfürst Maximilian Joseph Iv., erster König von Bayern. 475
milian Joseph in den Straßen Münchens zum Herrn von Pfalz und
Bayern ausgerufen.
Viele fürchteten des neuen Herrn Liebe zu den Waffen, unter
welchen feine Jugend verstrichen war und zu denen das eiserne Zeit-
alter rief. Andere aber, die der Anmut und Leutseligkeit seines Wesens
gedachten oder die sich erinnerten, wie er als junger Fürst gegen Karl
Theodor und Wien für die Unteilbarkeit des bayerischen Stammlandes
eingetreten, weissagten bessere Zukunft.
Nach wenigen Wochen hielt er seinen Einzug in die Hauptstadt.
Mit ihm kamen seine Gemahlin Karoline, eine Fürstin des alterlauchten
Hauses von Baden, und seine Kinder. Als ihn die Bayern erblickten
in seiner stattlichen Gestalt, in seinem Antlitz den gemütlichen Bieder-
sinn, in seinem Wort und Wesen die ganze Huld der alten Fürsten zu
Bayern, begrüßte ihn das ganze Volk aufs freudigste und sprach: „Wahr-
lich, dieser ist Maximilian Joseph der Andere, aber tm Kreise schöner
Kinder glückseliger als der Erste!" Er war es.
Doch sturmvoll und mühsam war der Beginn seiner Herrschaft:
das ganze Land von den Kriegsvölkern Österreichs angefüllt, die nun
über den Lech zum Rhein drängten, welchen die Feldherren Frankreichs
schon feindselig überschritten hatten; das bayerische Heer zum Schirm
des Vaterlandes ohne Übung, Zucht und Stärke; der Staatsschatz er-
schöpft; die Schuldenlast des Staates sowie der wahre Ertrag der
Gefälle kaum recht bekannt; das Steuer- und Aufschlagwesen ohne
Verhältnis und Ebenmaß; die Staatsführung ohne Einheit und Kraft,
in vielerlei Landesverwaltungen zersplittert. Die Staatsverfassung,
alten Zeiten entstammt, war anders in Bayern, anders in der oberen
Pfalz, anders im Herzogtum Neuburg; die ständische Landschaft ohne
Achtung, ohne Wert für das öffentliche Heil; die Erziehung des Volkes
versäumt; die Freiheit der Presse vernichtet; die Bevölkerung durch
Kriege, durch Erschwerung der Ehen für die Grundholden, durch Un-
trennbarkeit der Bauerngüter sowie durch Fesseln des Gewerbfleißes
geschwächt.
So fand Maximilian Joseph Bayern. Selten empfing ein Fürst
aus der Hand des Schicksals eine schwerere Aufgabe des Lebens.
Vor allem lag Maximilian Bayerns Selbständigkeit am Herzen.
Im September 1805 schloß er sich zu Würzburg in dem beginnenden
Kriege Frankreichs mit Österreich und Rußland dem Kaiser Napoleon
an, worauf die Österreicher in Bayern einrückten. So tief betrübend
es ist Bayern im Bunde mit Frankreich zu sehen, so ist anderseits
nicht zu vergessen, daß damals kein deutscher Staat das Wohl Deutsch-