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1. Die Neue Zeit - S. 22

1895 - Leipzig : Dürr
22 phantastischen Einfällen und zu einem wüsten Treiben. So wollten sie die Gütergemeinschaft der ersten christlichen Gemeinden wiederherstellen und billigten deshalb einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden staatlichen Ordnung. Im Jahr 1534 bemächtigten sie sich der Stadt M ü n st e r. Hier hatte ein Prediger, Bernhard Rottmann, der protestan- tischen Lehre Eingang verschafft, und der Bischof Franz vonwaldeck war dem Verlangen der Bürger nicht schroff entgegengetreten, sondern hatte nur für sich und das Stift den katholischen Gottesdienst aus- bedungen. Aber Rottmann neigte sich der Lehre der Wiedertäufer zu und lockte dadurch Glaubensgenossen aus den Niederlanden herbei. Unter den Eingewauderten waren die eifrigsten Johann Matths aus Hartem, einer der beredtesten Führer der Sekte, und dessen sehr begabter Schüler, der Schneider und Gastwirt Johann Bockelson aus Leiden (Johann von Leiden). Die Wiedertäufer zwangen den Rat, abzudanken, und trieben alle, die sich nicht taufen ließen, 51t den Thoren hinaus. Gleichzeitig aber erbat sich auch der Bischof die Hilfe der benachbarten Fürsten und belagerte die Stadt. Bei einem Ausfalle wurde der Prophet Matths getötet, der einzige, der noch Mäßigung gezeigt hatte. Nun brachen in der von der Außenwelt ab- gesperrten Stadt alle Leidenschaften hervor, die eine überspannte reli- giöse Aufregung wachrufen kann. Die Gütergemeinschaft wurde streng durchgeführt, alles Geld und alle Vorräte mußten in den gemeinschaft- lichen Schatz abgeliefert werden, die Vielweiberei wurde erlaubt, und Johann von Leiden machte sich zum König des „neuen Jerusalems". Solange die Lebensmittel ausreichten, hatte es keine Not, aber als der Hunger die Menschen erschreckte, konnte nur eine despotische Gewalt den Gehorsam aufrecht erhalten. Der König,sein Kanzler Kr e ch t in g und sein Henker, der Bürgermeister K ni p p e r d 0 l l i n g, bestraften jeden Wider- spruch mit dem Tode. Um dem Elend ein Ende zu machen, verrieten einige Bürger, die in das bischöfliche Lager entflohen waren, eine weniger gut verteidigte Stelle des Walles. Der Sturm wurde unter- nommen, die Mauer überstiegen und die Stadt nach einem hartnäckigen Straßenkampfe erobert (im Juni 1535). Johann von Leiden, Krechting und Knipperdolling gerieten in Gefangenschaft und erlitten einen qual- vollen Tod durch Henkershand. Sie wurden eine Stunde lang mit glühenden Zangen gezwickt und dann umgebracht. Ihre Körper legte man in einen eisernen Käsig und hing diesen am höchsten Turme der Stadt, am Lambertusturme, auf. Mit dem Sektenwesen ging auch die
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