1895 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Zöllner, C. Wilhelm, Schuberth, Wilhelm, Scholtze, Adolf, Pfalz, Franz
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
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anschlösse. In dieser schwierigen Lage bewährte sich Ferdinands
Glaubensstärke. Er blieb ruhig und verweigerte jedes Zugeständnis,
auch als sie immer stürmischer wurden und ihm immer näher rückten.
Plötzlich ertönte Hufschlag im Hofe, eine Schar kaiserlicher Kürassiere
sprengte herein. Dieses glückliche Zusammentreffen rettete ihn, die Ab-
gesandten zogen sich zurück. Thurn, der auf eine wirksame Unterstützung
von seiten der Wiener Protestanten gehofft hatte, überzeugte sich bald,
daß er die Hauptstadt nicht erobern könnte, und verließ das österreichische
Gebiet, um in Böhmen den Kampf mit den kaiserlichen Truppen aufzu-
nehmen. Kurz darauf begab sich Ferdinand nach Frankfurt a. M. und
wurde daselbst, trotzdem daß mehrere evangelische Fürsten widersprachen,
zum Kaiser erwählt. Die Böhmen aber fügten sich nicht. Auf einem
Landtage zu Prag sprachen sie die Absetzung Ferdinands aus und er-
koren Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem Könige. Bon diesem
erwarteten sie das Beste. War er doch das Haupt der Union und der
Schwiegersohn des Königs von England, Jakobs I. Aber bald sahen
sie sich in ihren Hoffnungen getäuscht. Weder die Union noch der eng-
lische König waren damit einverstanden, daß der Kaiser aus seinen eigenen
Landen verdrängt würde; das Schlimmste aber war, daß Friedrich V.
sich weder als Feldherr noch als Staatsmann auszeichnete und in seiner
Kurzsichtigkeit mehr verdarb als nützte. Ebenso saumselig wie der
König war freilich auch das böhmische Volk. Die Steuern gingen
sehr unregelmäßig ein, und die Folge davon war, daß die schlecht aus-
gerüsteten und schlecht besoldeten Truppen sich weigerten, den Führern
zu gehorchen, wenn diese sich zu einem ernsten Kampfe anschickten.
Solcher Verwirrrung gegenüber war Ferdinand Ii. im Vorteil.
Zwar fehlte auch ihm die staatsmännifche Weisheit sowie das Feldherrn-
talent , und mit den Einkünften des Landes wirtschaftete er noch
schlechter als der Pfalzgraf, aber sein starrer Glaubensmut gab
ihm ein Übergewicht über seine Gegner. Der König von Spanien und
der Papst ließen sich bewegen, ihm Truppen und Geld zu senden, sein
Jugendfreund, der thatkräftige und strengkatholische Herzog Maxi-
milian von Bayern, kam ihm mit dem Heere der Liga zu Hilfe, und
sogar der protestantische Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen
(1611—1656) erklärte sich bereit, ihm die Lausitz und Schlesien zu
unterwerfen. Sein Haupthelfer war Maximilian, der in religiöser
Beziehung ganz seiner Ansicht war; hatten doch beide zu derselben
Zeit die Universität Ingolstadt besucht und daselbst in gleicher Weise
unter dem Einflüsse der Jesuiten gestanden! Nicht nur daß ihm der