1903 -
Berlin [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Sandt, Hermann, Trautwein, Emil, Kahnmeyer, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
sich eitt eigenes Heer und rüsteten Kriegsschiffe ans, die die Kauffahrer auf der
Elbe u. a. Flüssen sowie auf der Nord- und Ostsee in Schutz nahmen. Diesen
Bund nannte man die Hansa. Bald traten nun auch noch andere Städte diesenl
Bündnis bei, wie Brannschweig, Stralsund, Stettin, Cöln, Frankfurt a. O., Königs-
berg, Magdeburg u. s. w., im ganzen über 80 Städte, und es dauerte nicht lange,
so zitterte alles vor der Macht der Hansa. Sie hatte neben einer Flotte von 200
Schiffen ein furchtbares Landheer und führte Krieg mit Fürsten lind Königen. Sv
erklärte sie einmal dem Könige von Dänemark beit Krieg und eroberte mit ihrer
Flotte Kopenhagen. In Lübeck war der Bundestag. Hatte eine Stadt ihre Pflicht
nicht erfüllt, so wurde sie „gehanset", d. y. aus denl Bunde gestoßen. 300
Jahre lang war die Hansa in voller Blüte. Im 15. Jahrhundert aber zerfiel
sie allmählich, weil die Fürsten selbst inehr für Ordnung und Sicherheit sorgten.
30. Lehnswesen und Frondienste.
1. Lehnswesen. Aus dem Frankenlande hatte sich das Lehnswesen (S. 14)
nach und nach über ganz Deutschland ausgebreitet. Der Kaiser war gewöhnlich
der Lehnsherr der Fürsten (S. 30), Erzbischöfe und anderer Großen, und diese
teilten wieder kleinere Lehen aus, z. B. Städte, Burgen, Wälder, Fischereien,
Braiiereien, Mühlen und Ackerhöfe. Selbst das Amt eiires Schultheißen und
Grafen war vielfach ein Lehen. Besonders häufig wurden die Kloster an welt-
liche Große als Lehen abgegeben. Dafür mußten diese dann geivisse Gegendienste
tun, z. B. den Abt zu Pferde begleiten und den Klosterwagen gegen Räuber
schützen. Aus den Lehnsleuten ist ein großer Teil des Adels hervorgegangen.
2. Frondienste. Ursprünglich lebten die Fürsten und Grundherren von den
Einkünften ihrer eigenen Güter (Domänen). Als sie aber später die Domänen
ihren Beamten und Dienern zur Bewirtschaftung übergaben, da ließen sie sich
von diesen ihren „hörigen Bauern" nicht nur die Lebensmittel in die Küche
liefern, sondern auch die Dienste verrichten, die in der herrschaftlichen Haus-
haltung vorfielen. Zu bestimmte« Zeiten mußten die „Gefälle", ivie Gänse,
Hühner („Zinshahn"), Schweine, Fische, Butter, Eier, Korn, Kessel und Topfe,
entrichtet werden. In späterer Zeit traten an die Stelle solcher Lieferungen
Abgaben in Geld, die Zins oder Steuern genannt wurden. Da diese in der
Regel an den Festtagen erhoben wurden, so erklären sich daraus die Namen
Michaelissteuern, Osterzinsen, Weihnachtshühner u. s. w. Manche hörige Bauern
mußten am Hofe die Öfen heizen, Brot backen, Bier brauen, Holz spalten, Nacht-
wachen leisten und Botengänge verrichten. Zuweilen auch mußte der Bauer mit
seinem Gespann für den Herrn arbeiten und ihm Holz, Mehl und Steine herbei-
fahren, seinen Acker bestellen oder die Ernte besorgen. Doch wurden die Leute
bei der Arbeit meistens gut beköstigt. Die Kinder eines hörigen Bauern waren
verpflichtet, bei ihrem Grundherrn in Dienst zu treten. Sie erhielten gewöhnlich
nur Kost, zuweilen auch einen ganz geringen Lohn.
3j. Recht und Gesetz.
1. Femgerichte. Aus den alten Volksgerichten der Franken entstanden nach
und nach die Femgerichte. In den schütz- und rechtlosen Zeiten des Mittel-
alters verbreiteten sie sich durch ganz Deutschland. Sie gewährten jedem Freien
den sichersten Schutz und waren der Schrecken der Übeltäter. Ihre obersten
Richter hießen Freigrafen, die übrigen Mitglieder Freischöffen oder auch „Wissende",
weil sie um die Geheimnisse der Feme wußten. Die Stätte, wo das Gericht