1903 -
Berlin [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Sandt, Hermann, Trautwein, Emil, Kahnmeyer, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Nürnberg (261 T.) war eine der ansehnlichsten Gewerbe- und Handels-
städte des Mittelalters. Es liegt inmitten einer unfruchtbaren, mit ausgedehnten
Kiefernwäldern bestandenen Gegend. Diese Wälder wiesen die Bewohner besonders
ans Gewerbtätigkeit in Holzwaren hin, und so erklärt sich der großartige Ruf, den
Nürnberg durch seine „Spielwaren" erlangte. „Nürnberger Tand geht durch das
ganze Land." Bon dem Alter und dem früheren Wohlstände der Stadt zeugen noch
heute die zahlreichen altertümlichen Häuser in Nürnberg. Sie scharren rnit den Giebeln
nach der Straße hin und sind mit kunstvollenr Schnitzwerkc geziert. An dem oberen
Stockwerke der Häuser sieht man viele zierliche Erker irnd Ecktürmchen rrnd am unteren
überdeckte Säulcngänge, sogenannte Larrben. Auf den Torerr der Stadt ragen hohe
Türme empor. Den „Nürnberger Trichter" (zum Eintrichtern des zu Lernenden)
haben leider auch die Nürnberger nie besessen, wohl aber gab es „Nürnberger
Eier", wie man die von Peter Hele hier erfundenen Taschenuhren friiher nannte.
Hans Sachs ist ebenfalls ein Nürnberger Kind. Er „war ein Schuh—mâcher und
Poet dazu" und hat über 6000 ernste und scherzhafte Gedichte verfaßt. — Auch
heute noch blüht Nürnberg als Gcwerbestadt und stellt Spielsachen, Bleifedern,
Nadeln, Spiegel u. dgl. her. Besonders berühmt ist es durch seine Bierbrauereien.
6. Rheinbayern. An der Westseite des Rheins, von dem größeren östlichen
Teile Bayerns getrennt, liegt die Provinz Rheinbayern oder die Pfalz. Dort
wird besonders viel Wein lmb Tabak gebaut. Der Hanptort ist Speier, die
„Totenstadt der deutschen Kaiser".
b.das Königreich Württemberg, (bub. Brandenburg—2,2m.e.— bgkath.)
1. Württemberg hat eine mannigfaltige Boden gestalt. Der Wechsel von
Gebirgen, Hiigelzügen, Hochflächen und Talebenen gibt dem Lande ein anmutiges
Gepräge. Der westliche und südwestliche Teil gehört zum S ch w a rz w a lde (S. 132),
ans dem zahllose Tannenstämme in holzarme Gegenden ausgeführt werden, z. B.
nach Holland, wo sie zum Schiffs- und Hänserbau dienen. Quer durch das Land
zieht die Alb oder der Schwäbische Jura, eine öde, wellenförmige Hochebene, die
gegen Süden (das Donautal) allmählich, gegen Norden (das Neckartal) steil abfällt
und hier eine Reihe kegelförmiger Vorberge anstveist, z. B. den Höhenzollern und
Hohenstaufen. Die im Schwarzwald entspringende Donau scheidet die Alb
von der sich bis zum Bodensee erstreckenden Hochebene von Oberschwaben.
Da, lvo die Iller, die von dieser Hochebene kommt, in die Donau mündet, liegt
die Festung Ulm, die zweitgrößte Stadt des Landes, mit einem alten Münster,
dessen Turm (101 mj der höchste Kirchturm der Erde ist.
2. Der nördliche Teil des Landes, das Ebenen- und Hügelland von
Niederschwaben und Franken, verdankt seine mannigfaltige Gliederung vor
allein dem Hanptflusse Württembergs, dem Neckar. Sein Tal ist eines der
fruchtbarsten und malerischsten Flußtäler Deutschlands. Im Grunde sieht man
wallende Kornfelder und üppige Wiesen, an den Abhängen laus denen auch Mandeln,
Aprikosen itub Quitten gedeihen) ergiebige Weinberge und auf den Höhen längst
verfallene Burgen. Die wichtigsten Städte am Neckar sind: Tübingen, alt-
berühmte Universität, mit einem Denkmal des hier geborenen Dichters Uhland, Eß-
lingen, Hauptsitz der Maschinen- und Champagnerfabrikation (Neckar-Champagner),
Cannstatt, mit reichlichen Mineralquellen, Marbach, wo Schillers Geburtshaus
und das Schillerarchiv zahlreiche Fremde anlocken, Heilbronn, Hauptsitz der Gold
und Papierindustrie. In der Nähe des Neckars: Reutlingen, bekannt durch
seine Gespinst und Webwaren, und Lndwigsburg, einst zweite Residenz.