1873 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
101
ihre Wohnung auf, springen, singen und spielen mit einander nach Her-
zenslust. Auch fangen sie an, Grashalme, Stroh, Haar, Moos, Fe-
dern u. s. w. herbeizutragen, um ihren künftigen Jungen im Verbor-
genen ein warmes und weiches Bett zu bereiten. Darauf legt das
Weibchen Eier und brütet sie aus, während ihm das Männchen etwas
vorsingt. Sind die Jungen ausgekrochen, so hören die Alten ganz auf
zu singen, weil sie nun alle Zeit aus die Versorgung ihrer kleinen Nest-
hocker verwenden müssen. Wenn sie nun alle diese Arbeit treulich ge-
than haben, so steht ihnen noch eine schlimme Zeit bevor, nämlich die
Zeit, in der sie ihre alten Federn verlieren und neue bekommen oder
sich mausen. Während dieser Zeit sind sie kränklich, hören ganz auf
zu singen und verkriechen sich in die dickesten Gebüsche, bis ihnen ihr
neuer Federrock gewachsen ist.
17. Die Schwalbe.
Im Frühjahr, wenn das Eis und der Schnee weggeschmolzen sind,
warme Lebenslüste wehen und die Mücken tanzen und Fliegen summen:
dann kommen die Schwalben zu uns. Wo waren sie im Winter,
von wannen kommen sie? Aus Afrika, weit her, viele hundert Meilen
weit über ein großes Meer, über Berge und Thäler und weite Land-
strecken. Wer hat ihnen gesagt, haß bei uns wieder Frühlingsluft weht,
daß wieder Mücken und Fliegen in der Luft ihr Wesen treiben und zu
ihrer Speise bereit sind? Wer zeigt ihnen den Weg durch die Luft,
wo keine Straße abgesteckt, kein Wegweiser hingestellt ist? Und doch
verliert keines den Weg, jedes kommt wieder am rechten Orte an und
zu rechter Zeit. Diese Schwalbe, die vergangenes Jahr in deinem
Hausflur ihr Nest baute, kommt heuer wieder zu dem ihr wohlbekannten
- Hause, und ihre Söhne und Töchter bauen sich in der Nähe wiederum
ihr Nest, das sie das künftige Jahr wieder heimsuchen. Warum bauen
sie aber das Nest? Wissen sie denn vorher, daß sie Junge bekommen
werden? Sie bauen das Nest gerade so groß, wie es für die Eier
nöthig ist, die sie legen werden, nämlich so groß, daß 6 bis 8 Junge
darin Platz haben, ganz so, als ob ihnen jemand schon im Voraus
gesagt hätte, sie würden 6 bis 8 Eier legen. Das Weibchen macht
zuerst an dem Orte, wo das Nest angebracht werden soll, mit denk
Männchen gemeinschaftlich eine Uickerlage; alsdann setzt es sich auf diese
nieder, dreht den Kopf und die Füße nach allen Seiten hin und her,
mißt den Raum für sich und seine künftige Familie, drückt und knetet
die feuchte Erdmasse, welche das Männchen herbeischafft, fest zusammen
und giebt mit dem Schnabel und den Füßen, so wie durch öfteres
Herumdrehen des Körpers dem Neste diejenige Gestalt und Größe, die
seinen Bedürfnissen auf das Genaueste entsprechen. Sonst verstehen es
meist nur die Weibchen, das Nest zu bauen und einzurichten; bei den
Schwalben verstehen es aber auch die Männchen und helfen getreulich
mit formen, wenn Material genug da ist. Die Schwalben haben kei-
nen Verstand, wie du; sie können nicht denken, wie ein Mensch: und