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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 131

1873 - Essen : Bädeker
131 (enden Kindern, steht er zwischen den laubgeschmückten Bäumen. Selten, daß ein Vogel auf der Reise durch den Wald kurze Rast hält auf seinen Zweigen; versteckt er sich doch weit lieber in die duftige Blätterlaube, die so unwiderstehlich lockt, Kühlung und Schatten zugleich verheißend. Die Bienen und die goldenen Käfer kehren auch nicht ein in das stille Wirthshaus „zum Tannenbaum"; einsam steht er im Frühling; einsam bleibt er in der strahlender; Sommerzeit, ja selbst im Herbste gleicht sein Kleid allein einem Trauergewande; er allein trägt Leid inmitten der bunt geschmückten Bäume, die doch, trotz ihres Prangens, der Tod schon geküßt hat. — So kommt denn endlich der Winter heran, ge- hüllt in einen flimmernden Eismantel, begleitet von seinen Dienern, den rauhen Winden. Grausam reißen sie alle zarten Blätter herab. Der Schneefürst streut eilig dicke weiße Flocken über die kleinen Leichen, über die ganze Erde, und alles Warme erstarrt vor seinem Anblick. Nur der Tannenbaum schaut ihn furchtlos an und lächelt geheimnißvoll; denn der mächtige Zauberer im Eismantel hat keine Macht über ihn. Gott will nicht, daß alles Grün ersterbe, so lange und weil noch füh- lende Menschen auf der Erde wohnen; darum drückte er dem Norden seinen Tannen- und Fichtenkranz auf das schneeige Haupt. Unter sein schirmendes Dach flüchten sich die Thiere vor dem eisigen Hauche des harten Winters, und genügsame Menschen harren dort einem späten Frühling froh und zuversichtlich entgegen. So hat sich Friede und Freude, Schönheit und Lust getheilt zwischen Laub- und Nadelwald, wie sie beide unseres deutschen Vater- landes Höhen und Thalgründe schmücken mit unvergänglichen Reizen. 32. Die Tanne. Es spricht die Tanne guten Muths: Ob ich an Frucht auch darbe, Mein Reichthum ist Beständigkeit; Ob Wetter dräwn, ob's stürmt und schneit, Nie andr' ich meine Farbe. {w. Auersperg.) 33 Der Baumstamm. Sehe ich auf meinem Wege einen gefällten Baumstamm liegen, so kann ich nicht vorübergehen, ohne den Todten zu betrachten und sein Geschick zu erforschen. Ich zähle die Ringe auf der Durchschnitts- fläche und weiß nun, wie alt er geworden, wie viel Jahre er gegrünt und geblüht hat. Ich sehe, daß einige der Jahresringe dünner und schmäler ausgefallen sind, als die übrigen, z. B. der sechste und siebente, das sind Hungerjahre für den Verstorbenen gewesen, da hat er mit Nahrungssorgen zu kämpfen gehabt. Dagegen finde ich den zwölften ungemein breit; in diesem Jahre ist es ihm wohlergangen, da hat es an Sonnenschein und Regen nicht gefehlt. Ich bemerke ferner, daß der Kernpunkt, das Mark, nicht in der Mitte der Durchschnittsfläche liegt, daß auf der linken Seite des Stammes die Jahresringe enger zusammen stehen als auf der rechten, und weiß nun, daß nach seiner rechten Seite d-i-
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