1873 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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Entscheidung eines allgemeinen Concils verbot, protestirten. Als
die Versuche des Kaisers, die Religionsstreitigkeiten friedlich beizulegen,
aus den Reichstagen zu Augsburg (1530) und zu Trient (1545)
gescheitert waren, entbrannte jener Religionskrieg, der schmalkaldische
Krieg genannt, der 1555 durch den Religionsfrieden auf dem
Reichstage zu Augsburg damit endete, daß den Protestanten freie
Religionsübung im Reiche gestattet wurde.
27. Der dreißigjährige Krieg.
Ungeachtet des Augsburger Religionsfriedens blieb aber die Er-
bitterung der Parteien, so daß zuletzt ein weit furchtbarerer Krieg, der
dreißigjährige Krieg (von 1618 — 1648) hereinbrach. Alle
Schrecknisse der Verheerung, des Raubes, Brandes und Mordes
wurden in diesem Kriege über das unglückliche deutsche Vaterlan
verhängt — durch die kaiserlichen Schaaren unter Tilly und
Wallenstein sowohl, als auch durch die Dänen unter Christian Iv.,
die Schweden unter Gustav Adolph, und die Franzosen unter
Türenne und Conds. Ströme von Blut wurden vergossen, wehr-
lose Weiber und Kinder ermordet und Städte und Dörfer verwüstet.
Wo früher Wohlstand blühte, herrschte Noth und Elend, ganze Ge-
genden waren entvölkert, Räuber und wilde Thiere hausten, wo
früher der Pflug gegangen war, und machten Wege, Dörfer und
Städte unsicher, und erst, nachdem Deutschland eine große Einöde ge-
worden, kam zu Münster und Osnabrück der westfälische Friede
zu Stande (1648), in welchem den Protestanten gleiche Rechte
mit den Katholiken eingeräumt und zugleich festgesetzt wurde, daß
sie alle Kirchen und Kirchengüter behalten sollten, die sie seit dem
Jahre 1624, welches das Normaljahr genannt wird, besaßen. Dort,
wo Hermann einst die Legionen des Varus schlug und sein Vaterland
von der Herrschaft der Römer befreite, da beugte jetzt Deutschland
seinen Nacken und ließ von beutelustigen Fremden sich einen schmach-
vollen Frieden diktiren, denn verschiedene Theile wurden jetzt vom deut-
schen Reiche abgerissen. Frankreich erhielt das schöne Elsaß; Schweden
bekam einen Theil von Pommern und die Insel Rügen und außer-
dem 5 Millionen Thaler Kriegsentschädigung. Die ver-
einigten Niederlande wurden als neuer Staat vom deutschen
Reichsverbande losgerissen, und die Unabhängigkeit der Schweiz
von Deutschland wurde anerkannt.
Als daher die Friedenstrompeten das Ende des 30jährigen Krieges
durch Deutschland verkündeten, da tönten wohl die Glocken hinab in
die Straßen, um einzuladen zum Dankgebet im Tempel des Herrn.
Aber man sah nicht zahlreiche, fröhliche Schaaren herbeieilen zum Gottes-
hause; denn mehr als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands war
nicht mehr. Väter und Brüder waren im Kriege gefallen, Mütter und
Töchter hatte der Gram verzehrt und Kinder und Enkel der Hunger
dahin gerafft.
Haesters' Lesebuch ftir Oberks, Simultair-Aus^. 16