1873 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
293
in Salzlake geworfen und endlich bei ihrer Ankunft in Holland ordent-
lich in Tonnen, mit Schichten Seesalz dazwischen, verpackt.
Bekannt ist die besondere Achtung, die man auf die ersten an-
gekommenen Häringe legt, und welche die hochgestellten Personen, denen
man sie überreicht, mit einem bedeutenden Geschenk bezahlen. Wenn
früh bei der Ankunft in Amsterdam die Tonne noch an 500 Gulden
kostet, so wird sie Nachmittags schon mit kaum 100 bezahlt. Der Hä-
ring ist eine sehr gesunde Speise, ja man genießt ihn oft, das Wohl-
befinden wieder herzustellen; auch wird er als Heilmittel, namentlich
gegen Halsschwindsucht benutzt. Wo er in zu großer Menge gefangen
wird und nicht eingesalzen werden kann, preßt man Thran aus ihm,
auch braucht man den ganzen Fisch als Dünger.
3. Ebbe und Fluth Ln Holland.
Die merkwürdigste Bewegung des Meeres ist Ebbe und Fluth.
Ganz Seeland mit allen seinen Nebenlanden und Nachbarinseln ist
gleich einem großen Schwamme, der sich täglich zweimal bis zum Über-
laufen vollsaugt und zweimal sich fast bis auf den Boden entleert.
Das Wasser am Strande steigt und fällt nämlich in regelmäßigen:
Wechsel innerhalb 24 Stunden 50 Minuten 48 Sekunden zweimal.
Das Steigen, welches 6 Stunden dauert, nennt man Fluth. Wächst
es nicht mehr, so ist hohe See, die nur i/2 Stunde dauert. Fällt es
und tritt vom Üfer zurück, was wieder 6 Stunden anhält, so sagt
man: es ebbet — es ist Ebbe. Im niedrigsten Stande (tiefe See)
Leharrt es wieder y2 Stunde, bevor es zu steigen beginnt. In der
Ostsee, die fast gänzlich vom Lande umgeben ist, spürt man keine
Fluth, wohl aber in der Nordsee. Zuweilen übersteigt das Meer
die gewöhnliche Höhe und wird dann gefährlicher. Man nennt dies
Springfluth. Um sich gegen diese zu schützen, hat man die West-
und Nordküste der Niederlande, wie auch die Nordküste Deutschlands
bis an Dänemark mit kostspieligen Dämmen und Deichen, 3 bis
6™ hoch, eingefaßt. Um aber das Wasser aus den Sümpfen
des Landes los zu werden, hat man die Deiche mit Pforten (Sch-
ien), von 2 bis 6™ Weite, versehen. Zur Ebbe, wenn das
Seewasser bis unterhalb dieser Pforten gesunken ist, öffnen sich diese
durch den Druck des aus dem Lande kommenden Wassers und lassen
dieses hinaus. Die steigende Fluth aber, natürlich weit stärker als
das träge Moorwasser, drückt dann die Thüren wieder zu und ver-
schließt sich selber den Eintritt ins Land.
Die Ebbe und Fluth, besonders aber die Ebbe, bietet dem Auge
einen interessanten Anblick dar. Da die Ebbe das Niveau (spr. Niwoh),
d. h. die Wasserfläche gewöhnlich um 5 bis 6™ erniedrigt, so kann
man sich denken, wie die dadurch entstehende Erhöhung und Hervor-
steigung aller Dämme, Ufer- und Sandbänke ebenfalls um 5 bis 6™
ihr Aussehen verändern muß. Die Deiche scheinen riesenhoch zu
wachsen, die Brücken und Pfahlreihen der Häfen steigen mit langen