1873 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
295
fett Zitronen, Orangen, (Pomeranzen), Mandeln, Kastanien,
Feigen, Oliven und noch viele andere Früchte und Kräuter in Hülle
und Fülle; besonders gedeiht aber hier guter, feuriger Wein, mit
welchem auch die mittlern Provinzen überreichlich gesegnet sind. Und
wo in Frankreich die Trauben spendende Rebe nicht fortkommen will,
da macht man Obstwein, wie z. B. in der Normandie; denn der
lebenslustige, fast etwas leichtfertige Franzose hält es mit dem Sprüch-
lein: „Der Wein erfreut des Menschen Herz." Deshalb wird in
Frankreich auch nur wenig Mer gebraut. Doch trinkt der Franzose
den Wein nur höchst selten ganz rein. In der Regel mischt er ihn
im Glase zur Hälfte mit Wasser. — Wo das Land des Anbaues fähig
ist, blühen Ackerbau und Viehzucht. Namentlich herrscht aber in
den vielen und mitunter sehr großen Fabriken sehr reges Leben und
eine seltene, musterhafte Thätigkeit; denn die Franzosen sind ein
fleißiges, erstnderisches und betriebsames Volk. Die schönen, geschmack-
vollen Seidenzeuge, die buntfarbigen, prächtigen seidenen Tücher
und Bänder, die ihr in den Gewölben unserer Kaufleute erblickt,
werden größtentheils in Frankreich gewebt. Wegen ihrer feurigen Farben,
ihrer Festigkeit und Reinheit, zieht man sie den deutschen und englischen
seidenen Fabrikaten vor. Pariser Umschlagetücher machen die
Reise durch die ganze Welt. Die Franzosen wirken aber auch Gold-
und Silberstoffe, Tressen, prächtige und kunstreiche Tapeten,
eine große Menge Wollen- und Baumwollenzeuge u. s. f. Und
wie viele andere Galanterie- und Modewaaren verfertigen und
verkaufen nicht die Franzosen? Die Pariser Modewaaren sind in den
Kaufläden aller Länder zu finden.
Der Bergbau will aber in Frankreich weit weniger besagen, als
be: uns in Deutschland; denn der Metallreichthum ist — außer
dem Eisen — nicht groß. Den Ertrag der Steinkohlen schätzt man
auf 16 Millionen Centner jährlich, und doch muß eine noch größere
Quantität für den Bedarf der vielen und großartigen Fabriken aus
England eingeführt werden.
Paris, diese Weltstadt, mit 30,000 Häusern, 1150 Straßen, 300
Kirchen, 25 Hospitälern und Krankenhäusern und 20 großen und kleinen
Theatern, ist die Hauptstadt Frankreichs. Sieben bis acht Stunden
hat diese große Stadt im Umfange, und beinahe zwei Millionen
Menschen wohnen und leben hier. Wie es in den mitunter engen
imb krummen Straßen wimmelt vor: geputzten Herren, Damen und
Soldaten; von prächtigen Kutschen und Karossen; von schmutzigen Wasser-
trägern und Schuhputzern, von fleißigen Einwohnern, wie von Faulenzern
und Bettlern; von ehrlichen Leuten, wie von Betrügern und Diebs-
gesindel i Obwohl Paris im Allgemeinen unregelmäßig gebaut ist und
eine nicht kleine Anzahl krummer und enger Straßen enthält, so findet
Ulan daselbst doch auch viele neu angelegte, breite, schöne und höchst
regelmäßige Straßen mit den stattlichsten und großartigsten Palästen
besetzt, unter denen gar manche wahre Wunder der Baukunst sind.