1873 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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nur wenig Landthiere sind, so ist die See ihr Element, und hier
ist der Seehund das wichtigste Thier, dem sie fast einzig und allein
Nahrung, Kleidung, Wohnung und die nöthigsten Werkzeuge verdanken.
Die Grönländer sind gutmüthig und offenherzig und Haffen grobe
Ausschweifungen. Trunkenheit und Schlägerei sind bei ihnen ungekannte
Laster. Ms sie die Wirkungen des Branntweins an den Europäern
gewahr wurden, so nannten sie ihn „das Tollwasser". — Ihre
Streitigkeiten schlichten sie aus eine besondere Art. Der Gegner wird
nämlich zu einem Wettkampf vor einer Versammlung herausgefordert,
den sie Sing streit nennen. Der Kläger singt in einem selbstverfer-
tigten Liede seine Klage ab, wobei er seinen Gegner auf jede Weise
lächerlich zu machen sucht; dieser antwortet aus dieselbe Art, und der-
jenige gewinnt, welcher das letzte Wort behält und die meisten Lacher
aus seiner Seite hat. — Weil die Grönländer so gutmüthig sind, so
erstaunen sie, wenn sie einen Europäer hart mit seinen Untergebenen
umgehen sehen, und weil sie überhaupt die Europäer nicht von der
besten Seite kennen gelernt haben, so sagen sie mit besonderm Stolz:
„Ich bin ein Grönländer!" — Und wollen sie einen Fremden
recht loben, so sagen sie: „Er ist beinahe so gesittet, wie wir."
— Diese hohe Meinung, die sie von sich und auch von ihrem Lande
haben, trägt wesentlich zu ihrem Glücke bei; denn wie sehr unglücklich
müßten sie sich fühlen in ihrem rauhen Lande, bei dem Mangel so vieler
Bequemlichkeiten, bei ihrer ärmlichen Kost, wenn sie ihre ganze Lebens-
weise nicht für so angenehm hielten, daß sie nicht Lust haben, sie mit
einer andern, nach unserer Meinung viel bequemern zu vertauschen. Man
brachte einmal ein paar Grönländer nach Kopenhagen und ließ es
ihnen an nichts fehlen; dennoch sehnten sie sich nach ihrem Vaterlande
zurück, indem sie äußerten, in Europa sei keine recht schickliche Kälte,
auch gäbe es ja keine Seehunde daselbst.
43. Der Wilde.
Ein Kanadier, der noch Suropen's
Übertünchte Höflichkeit nicht kannte
Und ein Herz, wie Gott es ihm gegeben,
Von Kultur noch frei, im Busen fühlte,
Brachte, was er mit des Bogens Sehne
Fern in Quebecks übcreis'ten Wäldern
Auf der Jagd erbeutet, zum Verkaufe.
Als er ohne schlaue Rednerkünste,
So wie man ihm bot, die Felsenvögel
Um ein Kleines hingegeben hatte,
Eilt' er froh mit dem geringen Lohne
Heim zu seinen tief versteckten Horden,
In die Arme seiner braunen Gattin.
Aber ferne noch von seiner Hütte
Überfiel ihn unter freiem Himmel
Schnell der schrecklichste der Donnerstürme.
Aus dem langen, rabenschwarzen Haare
Troff der Guß herab auf seinen Gürtel,
Und das grobe Haartuch seines Kleides
Klebte rund an seinem hagern Leibe.
Schaurig zitternd, unter kaltem Regen,
Eilete der gute wackre Wilde
In ein Haus, das er von fern erblickte.
„Herr, ach laßt mich, bis der Sturm
sich lege,"
Bai er mit der herzlichsten Geberde
Den gesittet feinen Eigenthümer,
„Obdach hier in eurem Hause finden I" —
„Willst du, mißgestaltet's Üngeheuer,"
Schrie ergrimmt der Pflanzer ihm ent-
gegen,
„Willst du, Diebsgesicht, mir aus dem
Hause!"
Und ergriff den schweren Stock im Winkel.
Traurig schritt der ehrliche Hurone
Fort von dieser unwirthbaren Schwelle,