1873 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
ein Weber in England die erste Spinnmaschine, welche später
noch bedeutend verbessert ward, und heut zu Tage wird kein Faden
Baumwollengarn mehr mit der Hand gesponnen! — Meint ihr, daß
es sonst möglich wäre, ein Meter Baumwollenzeug, deren Material in
Indien wuchs, dessen Garn gesponnen und gewebt werden mußte, für
einen Groschen herzustellen? Würdet ihr sonst ein ganzes, schönes,
Luntgedrucktes Kattuntleid für einen Thaler erhalten können? Und da-
bei leben noch Hunderte von Menschen davon; der Pflanzer, der die
Baumwolle baut; der Schiffer, der sie herüber fährt; der Kaufmann,
der das rohe Material verkauft; der Fabrikbesitzer; der Weber und
zuletzt der Krämer, der das Meter Kattun dir abschneidet! Es sind die
Maschinen, die das möglich machen!
Habt ihr sie einmal gesehen, die breiten Walzen mit Drahtkräm-
peln, von denen die gekrämpelte Baumwolle wie ein weißes, dickes Tuch
herabfällt, um dann, in fingerdicke wollige Fäden zertheilt, durch Walzen
aus einander gezogen und gedrehte und auf unzählige, durch unsichtbare
Wasserkräfte getriebene Spindeln aufgewickelt zu werden? — Ein ein-
ziger Mensch steht bei hundert Spindeln — die des Tages hundertmal
mehr fertig bringen, als der fleißigste Handspinner —, knüpft die zer-
rissenen Fäden an, legt das rohe Material auf und nimmt die vollen
Spindeln ab. Was das schnurrt und lärmt und sich dreht, ehe ein
Strick Garn fertig ist! Wie oft dann die Weberschiffchen hinüber- und
herüberfliegen müssen, ehe ein Stück Zeug fertig wird! Wie oft ein
Stück gefärbt und mit den Lunten Formen oder Walzen aus Messing
oder Holz bedruckt und gesengt und geglättet werden muß, ehe ftrr uns
ein Meter Kattun abgeschnitten werden kann.
L9. Der Tabak.
Es ist merkwürdig, wie leicht die Menschen üble Gewohnheiten an-
derer nachahmen! Während wir civilisirten Europäer die Wilden
Amerika's das unselige Branntweintrinken lehrten, haben wir von ihnen
wiederum das Tabakrauchen gelernt! Eine sonderbarere Gewohnheit
giebt's nicht. Wer, so dentt man, wer wird sich dazu hergeben, einen
beißenden Rauch in den Mund einzuziehen, der jedem, welcher an den-
selben nicht gewöhnt ist, die abscheulichsten Übelkeiten verursacht? Wer
wird für dieses sonderbare Vergnügen noch Geld ausgeben und dazu
die theuren Rauchgesäße — Tabakspfeifen genannt —, aus Meerschaum
oder Porzellan, Maserholz oder Thon geformt, mit theuren Bernstein-
spitzen versehen, sich anschaffen und sie mit Silber beschlagen und mit
allen möglichen berühmten Männern und Frauen ausschmücken oder be-
malen lassen? Wer wird sich dazu hergeben, seine Nase mit dem ge-
hackten, beißenden Schi-mpftabake anzufüllen? Wer wird sich gar ent-
schließen können, die abscheulichen braunen Tabaksblatter in den Mund
zu nehmen und mit Wohlgefallen zu kauen? Wer? — O, unsere
jungen Leute können kaum watten, bis sie mit der Pfeife oder Cigarre
im Munde ihr theures Geld in die Lust blasen dürfen, bis sie eine