1873 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
3 74
Thier- und Pflanzenwelt in ihr vergraben, und der geöffnete Mund
der Erde erzählt von einer untergegangenen Schöpfung, die kein Auge
gesehen, auf daß wir uns beugen vor der Macht dessen, der Berge
emporrichtete und Thäler versenkte, der die Feuerflammen zu seinen
Dienern und die Winde zu seinen Boten machte. Da liegen in hartem
Gestein eingebettet: schwimmende und fliegende Eidechsen von abenteuer-
licher Gestalt, kletternde und grabende Faulthiere von Schrecken erregender
Größe, riesige Elephanten mit gewaltigen Stoßzähnen, Bären und Hyänen,
Flußpferde und Seefische. Selbst auf hohen Bergen, wo jetzt der Hirt
das Rind und die Ziege weidet, und der,Jäger das scheue Wild jagt,
findet man unter dem duftenden Grase die Überreste von Seethieren, die
einst über diesem Boden in den Fluchen ihr Wesen trieben. Reiche
Ernte hat da der Tod unter großen und kleinen Thieren gehalten. Ist
doch mancher Leichenstein der untergegangenen Thierleiber so mit dem
Fette derselben getränkt, daß er brennt wie ein Docht, wenn man ihn
ins Feuer hält; findet man doch bei genauer Untersuchung, daß zwei
Drittel eines Kreidestücks aus den kleinen Schalen untergegangener Ge-
schöpfe bestehen. Das Meer ist der Todtengräber gewesen, und stau-
nend sieht der Mensch die Knochenleiber in diesen ersten Friedhöfen,
wo unter dem heißen Kampfe aller Elemente die ältesten Leichen bestattet
wurden. Auch Waldungen von üppigem Wüchse und undurchdringlichem
Dickicht senkte das entfesselte Meer ein, als sollten jenen Friedhöfen
auch die Trauerweiden und Todteneschen nicht fehlen. Als Steinkohlen
graben wir jetzt diese eingesenkten Wälder wieder aus. In den fein-
schlammigen Zwischenschichten derselben findet man noch die Blätter zart
und zierlich abgedrückt und die versteinerten Stämme oft noch senkrecht
emporstehen. So üppig aber auch der Wuchs jener Wälder gewesen
sein mag, so einförmig und öde standen doch viele von ihnen da.
Farrenkraut, Schachtelhalm und Bärlapp sind nicht selten die
einzigen Pflanzen gewesen, die dicht gedrängt emporgeschoffen waren.
Keine duftende Blüthe schmückte das dunkle Grün, keine wohlschmeckende
Früchte zierten die Zweige, kein liederreicher Sänger nistete in ihrem
Schatten. Rur gespensterhafte Thiere sind in ihnen mit ihren Schreckens-
gestalten aufgefunden worden. So liegt eine ganze Urwelt vergraben
im Schoße der Erde und zeigt uns mitten unter dem starren Gestein
ein längst vergangenes Leben. Als aber die allmächtige Hand dem
langen Kampfe aller Elemente Grenze und Ziel setzte und die Meßschnur
spannte über Berg und Thal, über Meer und Land, da entsproß ein
neues, junges Leben der stummen Erde und blickte zum erquickenden
Strahl der belebenden Sonne. In dem gezweigten Baume säuselte der
Wind in Harfentönen ein neues Schöpfungslied, und edlere Formen
weckte der Werderuf des Ewigen von neuem zum Dasein.
2. Das Pflanzenreich.
Gott ist groß in allen seinen Werken! Warum in den Wundern
enffernter Gebiete des Weltalls ihn suchen? Seine Macht und Weisheit