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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 430

1873 - Essen : Bädeker
430 waren darüber unwillig. „Nicht doch," sagte Sokrates, „ihr würdet ja nicht zürnen, wenn mir einer begegnete, der häßlicher wäre als ich. Warum ereifert ihr euch also, daß dieser Mensch minder höflich ist als ich!" Es war vorauszusehen, daß sich Sokrates durch seine ausgezeichnete Weisheit und Tugend bei dem großen Haufen seiner verdorbenen Mit- bürger, deren Sittenlosigkeit er mit Worten strafte, Haß und Neid zu- ziehen mußte. Sie verläumdeten ihn also, verklagten ihn öffentlich, er glaube nicht an die Götter der Vaterstadt, und die ungerechten Rich- ter verurtheilten ihn zum Tode. Sokrates hörte sein Todesurtheil mit der größten Ruhe. Er verzieh allen, die ihn verurtheilt hatten, und freute sich, bald zu den Geistern der edlen Männer aus der Vorzeit hinüber zu wandeln. Dann wurde er ins Gefängniß geführt. Seine Schüler hatten den Gefängnißwärter bestochen, daß er die Thüre des Kerkers offen ließe, damit ihr geliebter Lehrer sich durch die Flucht retten könnte; er aber wies ihren Vorschlag zurück und trank den ihm dargereichten Giftbecher — 400 v. Chr. 7. Demosthenes. (Um 360 v. Chr.) Durch oftmals wiederholte Streiche Fällt auch zuletzt die stärkste Eiche. Demosthenes war der größte Redner unter ^den Griechen. Er hatte seinen Water verloren, als er kaum sieben Jahre alt war. Als Knabe hörte er einst einen Redner und war ganz entzückt von der schönen Rede. Er faßte sogleich den Entschluß, auch einmal ein solcher Redner zu werdm. Won der Zeit an nahm er an keinem Spiele mehr Theil, sondern alle Zeit verwandte er auf Lesen, Schrei- den und Sprechen. Als er nun erwachsen war und eine schöne Rede ausgear- beitet hatte, hiüt er diese vor dem versammelten Wolke. Aber er wurde aus- gep fiffen, und alle Mühe schien vergeblich gewesen zu sein. Betrübt schlich er nach Hause. Ein Freund aber ermunterte ihn zu einem zweiten Versuche. Diesmal arbeitete er viel sorgfältiger und übte die Rede geläufiger ein. Aber ach! er wurde wieder ausgelacht; das Gesicht in seinen Mantel hüllend, ging er wie vernichtet nach Hause. Darauf besuchte ihn ein anderer Freund und machte ihn aufmerksam auf feine Fehler beim Reden. Demosthenes hatte aber als Redner drei Haupt- fehler: erstlich sprach er zu leise, weil er eine schwache Brust hatte; dann sprach er undeutlich, denn einige Laute konnte er gar nicht hervorbringen, z. B. das R; endlich hatte er die üble Gewohnheit, daß er mit der Achsel zuckte, so oft er einen Satz ausgesprochen hatte. Wie sollte er aber solchen Gebrechen abhelfen? De- mosthenes verzweifelte nicht. Was der Mensch will, das kann er. Um seine Brust zu stärken, ging er täglich die steilsten Berge hinan; oder er trat an das User des Meeres, wo die Wogen ein großes Gebraust machten, und suchte mit seiner Stimme das Getöse zu übertönen. Um das R und einige andere Laute herauszubringen und der Zunge die rechte Lage zu geben, legte er kleine Steine unter die Zunge, und so sprach er. Das häßliche Achselzucken sich abzugewöhnen, hängte er ein Schwert über der zuckenden Achsel auf, welches ihn jedesmal ver- wundete, wenn er in die Höhe fuhr. Dann ließ er sich die Haare kurz abscheeren, damck er eine Zeitlang gar nicht ausgehen durfte, sondern alle Zeit auf seine Kunst verwenden mußte. Nach solchen Vorbereitungen trat er endlich wieder auf und hielt eine so schöne Rede, daß das griechische Volk ganz entzückt war und seinen Ohren nicht trauen wollte. Demosthenes wurde nun mit Lob und Bei- fallsbezeigungen überschüttet, und dadurch aufgemuntert, fuhr er nur noch emsiger fort. Oft hat er mehr gewirkt, als der beste Feldherr! — Steter Tropfen höhlt den Stein.
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