1906 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Sommer, Fedor
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Schlesien
Il Das Glatzer Bergland.
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15 km lange, nur 2 bis 3 km breite Tafel. Durch ihr durchlässiges Gestein sickert
das Wasser in die Tiefe und tritt dann an der Oberfläche der Plänerbänke in zahl-
reichen Quellen zutage.
Von dem Tale der Reinerzer Wcistritz steigt das Gebirge als schmale
Hochebene an und behält fortwährend nordwestliche Richtung. Tie Ränder
dieser Hochebene find steil, oft senkrecht. Sie verbreitert sich allmählich; ihre
breiteste Stelle heißt der Leicrberg. Auf seiner Hochfläche erheben sich die
Große Heuscheuer (Gr. H.), die Kleine Heuscheuer (Le. H.) und der Spiegel-
berg (8p. B.) gleich ungeheuren Felsinseln von ziemlich gleicher Höhe.
Die Große Heuschener (919 m)
sieht von ferne wohl einem Scheunendache, mehr aber noch einem riesigen
Festungswerk ähnlich und scheint ein einziger großer Felsblock zu sein, der,
etwa 150 in hoch, dem Plateau des Leierberges aufgesetzt ist. Am Fuße der
Heuscheuer liegt das Dörfchen Karlsberg, dessen Bewohner sich hauptsächlich
als Gebirgsführer ihren Unterhalt erwerben; denn die Felder, die ans der
Hochfläche liegen, bieten einen so geringen Ertrag an Hafer und Kartoffeln,
daß die Bewohner der übrigen kleinen Dörfer auf und an dem Leierberge
sich nur mit Hilfe der Weberei erhalten können. Von Karlsberg aus steigt
man auf mehreren hundert Stufen zwischen und an den Felsen der Heuscheuer
hinauf, die um so zerklüfteter erscheinen, je näher man ihnen kommt. Ihre
gleichmäßig graue Farbe wird belebt durch das dunkle Grün hoher Tannen,
die freilich nicht sehr dicht beieinander stehen; denn sie können nur in den
zahlreichen tiefen Furchen zwischen den Felsen Wurzel fassen. Die Spitzen
der Felsen schauen über die Wipfel hervor, und erst die ebene Hochfläche zeigt
wieder dichteren Baumschmuck. Sie ist aber auch wie der Abhang am Fuße
der Felsen mit Steintrümmern übersät und von tiefen Rissen durchfurcht.
In ihnen haben Regenwasser und Frost den Sandstein in wunderliche Formen
zerwaschen und zersprengt. Da erblickt man Felsmassen, die einem Kamel
oder Negerkopf oder Schafe oder Bären ähnlich sehen. Eine tiefe Schlucht,
in die man auf nahezu 100 Stufen hinabsteigt, führt in ihren einzelnen
Teilen verschiedene Namen und heißt an der einen Stelle die „Schneegruben",
weil in den tiefen Spalt das ganze Jahr kein Sonnenstrahl dringt und der
Schnee darin niemals ganz wegschmilzt. Vom höchsten Felsen aus, der „der
Großvatcrstnhl" genannt wird, hat der Wanderer eine entzückende Aussicht
über die ganze wild zerklüftete Gegend und in die lachende schlesische Ebene
hinein. Wenn man bei einer Fernsicht auf Mannigfaltigkeit der Formen sieht,
ist keine andere in Schlesien dieser zu vergleichen; denn hier erblickt man
außer den steilen Quaderwänden nahe beieinander: langgestreckte Bergrücken
(Gneis des Eulengebirges), knppelförmige Bergdome (Urschieserberge des
Waldenburger Gebirges) und spitze Kegelberge (Porphyr ebendaselbst).
Von hier aus sieht mau auch die unsern gelegene prächtige Kirche in
Albendorf (A.). Das ist der besuchteste Wallfahrtsort von ganz Schlesien.
Die Teiche, Büche und Berge in seiner Umgebung sind gleich denen bei
Jerusalem und nach andern Örtlichkeiten des Heiligen Landes benannt.
Am Nordfuße der Heuscheuer wird beim Städtchen Wünschclbnrg eine
feinkörnige weiße Art des Sandsteins zu mächtigen Werkstücken gebrochen.