1897 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Langenbeck, Rudolf
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Oberrealschule, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Zweiter Kursus.
Käsewirtschaft betrieben (Sennhütten). Wälder dagegen gedeihen in dieser Höhe
noch nicht, teils wegen der Kälte im Winter, vor allem wegen der Gewalt der
Winde. Nur vereinzelt treten Bäume in diesen Höhen auf, namentlich die niedere,
am Boden sich hinziehende Legföhre oder Zwergkiefer und die Arve. Auch die
prächtigen Büsche von Alpenrosen gehen weit hinauf und bedecken oft ganze Hänge.
Weit schwieriger ist das vielgesuchte Edelweiß zu erlangen, das fast nur an schwer
zugänglichen Stellen des Hochgebirges sich findet.
In den niederen Teilen des Gebirges und in den Thälern breiten sich, wo
sie nicht, was leider vielfach geschehen, von Menschenhand abgeholzt sind, herrliche
Wälder aus. Am dichtesten, fast noch urwaldartig, sind sie in dem Thal des
oberen Inn (Engadin). Hier hat sich in ihnen der braune Bär erhalten und fällt
zuweilen nächtlich in die Herden der benachbarten Almen ein. An den südlichen
Hängen des Gebirges, wo sie von der warmen Mittagssonne beschienen werden,
tritt die zahme Kastanie und Walnuß oft in ganzen Waldungen auf, reift in den
Thälern herrlichster Wein und gedeiht selbst der Öl- und Mandelbaum. In den
nördlichen Thälern haben unsere deutschen Obstarten, besonders die Kirsche, weite
Verbreitung.
Sehr reich sind die Alpen an gangbaren Pässeil.
Daher boten sie von jeher dem Verkehr der Völker zu beiden Seiten
weniger Hindernisse als andere Gebirge von gleicher oder selbst ge-
ringerer Höhe. Jetzt führen zahlreiche Kunststraßen und bereits fünf
Eisenbahnen über das Gebirge und vermitteln den Verkehr von Deutsch-
land und Frankreich nach Italien.
Die Alpen zerfallen in zwei Hauptteile: West alpen und O st-
ülpen. Eine Linie vom Ostende des Bodensees nacf) S. den Rhein
aufwärts und über den Splügen-Paß zum Co in er See trenut
beide. Die Westalpen sind im allgemeinen die höheren. Auch wiegen
in ihnen die massigen Gebirgsstöcke, in den Ostalpen dagegen eigent-
liche Ketten vor.
Die Westalpen kann man wiederum durch eiue Linie, welche vom
Ostende des Genfer Sees die Rhone aufwärts bis zu deren Knie
und dann über den Paß des Großen St. Bernhard zum Thal
der Dora Baltea führt, in zwei Teile zerlegeit, die man nach den
Ländern, denen sie vorzugsweise angehören, als Französische und
Schweizer Alpen bezeichnet (doch gehört auch noch ein kleiner Teil
der Ostalpen zum Gebiet der Schweiz). Die Frauzösischen Alpen er-
strecken sich hauptsächlich in südnördlicher Richtung. Ihre nordöstlichste
Ecke nimmt die höchste Erhebung nicht nur der Alpen, sondern ganz
Europas, der Montblanc, 4810 m, ein. An der Trennungslinie
gegen die Schweizer Alpen vollzieht sich die Änderung der Längs-
richtung des Gebirges in eine westöstliche.
Für die Schweizer Alpen ist von besonderer Bedeutung der
fast in ihrer Mitte gelegene Gebirgsstock des St. Gotthard. An
ihm oder in seiner nächsten Nähe entspringen fünf Flüsse, die von
hier nach folgenden Richtungen strömen: die Rhone nach Wsw.,
die Aare nach Nw., die Reuß nach N., der Rhein nach Ono.,
der Tessin nach So. Rhone und Rhein durchfließen in ihrem Ober-
lauf ausgedehnte Längsthüler, welche die Schweizer Alpen in zwei
parallele Züge, einen nördlichen und einen südlichen, scheiden, die nur
durch den St. Gotthard-Stock miteinander in Verbindung stehen.