1889 -
Halle a. S.
: Heynemann
- Autor: Tromnau, Adolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
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Wirkungen des Kulturstaates auf das Naturvolk nicht aus. Als die einheimischen
Könige in Ägypten wieder zur Regierung kamen, wurden die verhaßten Fremdlinge
gedrückt und_ mit Frondiensten geplagt. Die sklavische Behandlung konnte auf
Körper, Geist und Charakter des Volkes nicht ohne schädigenden Einfluß öleiben,
wie denn auch die Mehrzahl der Israeliten, die aus Ägypten zogen, körperlich und
geistig sehr heruntergekommen waren. Auch mußten Neigungen zum Natur- und
Kälberdienst bei ihnen mit Strenge unterdrückt werden. ' Andererseits hatte bei
ihrem geistvollen Führer die in Ägyptenland genossene ausgezeichnete Bildung sehr
wesentlich dazu beigetragen, ihn mit jenen Eigenschaften auszurüsten, die sein schwie-
riges Führeramt erheischte. —
Die ägyptischen Könige dehnten ihre Eroberungszüge späterhin auch über
Palästina aus. Dieses Land war ihnen die Vorhut gegen die vor-
dringende Macht der Euphratstaaten. Im Jahre 975 v. Chr. plünderte
Sisak den Tempelschatz, Necho schlug 609 bei Megiddo den König Josias, der als
Verbündeter Nebukadnezars hier fiel, und machte das Land von Ägypten abhängig.
Freilich konnte Ägypten Palästina nicht behaupten und wurde schließlich selbst eine
Heute der Euphratreiche. Erst unter den Ptolomäern gehörte Palästina etwa
loo Jahre lang zu Ägypten.
Für Palästina war Ägypten in politischer Beziehung oft das Hinterland
gegen die vordrängenden Euphratreiche und die Zufluchtsstätte bei
Not und Gefahren. Hosea verband sich mit Sabako von Ägyyten gegen Sal-
manasser; Zedekias, der letzte König von Juda, schloß sich an König Hophra von
Ägypten an, wie denn überhaupt Israels und Judas Könige mehr zu Ägypten
als zu Babylonien neigten. Jeremias floh nach Jerusalems Zerstörung mit dem
Rest des Volkes nach Ägypten; die heilige Familie fand mit dem Jesuskinde in
diesem Lande eine Zufluchtsstätte vor Herodes. —
Die Sinaihalbinsel, ein Glied des „ großen afrikanisch-asiatischen Wüsten-
gürtels, ist das Verbindungsglied zwischen Ägypten einerseits und Arabien und
Palästina andererseits.
a) Das Sinaidreieck schiebt sich zwischen den Meerbusen von Suez und den
von Akaba und ist etwa so groß wie Sicilien. Es ist von Wüstenstrecken erfüllt,
von größenteils pflanzenlosen, nackten Gebirgen dnrchlagert, von Wadis durchzogen
und von Grasthälern und Oasen durchsetzt. Vom Meerbusen von Akaba bis znm
Pisgagebirge zieht sich das Gebirge Seir oder Edom hin, welchem im W. das
langgestreckte grasreiche Thal Ara bah vorgelagert ist. Die Südspitze der Halb-
insel ist von dem nackten Granit-Felsengebirge des Sinai erfüllt, das in
seinen höchsten Gipfeln bis 2900 m ansteigt. Im N. der eigentlichen Sinaigruppe
zieht sich die bergumlagerte Ebene er Raha hin, wo man auf einer steinigen
Hochebene heule 'den Felsblock zeigt, ans dem Moses Wasser schlug. Nördlich da-
von, durch Gebirgsgruppen getrennt, liegt das Thal Wadi Scheich (Raphadim?),
bemerkenswert durch seine Tarfabäume, eine Tamariskenart, deren Saft sich zu
weißen „Manna"-Körnern verdickt und so von den Zweigenden herabfällt. Das
schönste Thal ist indes das Thal Farrän, eine gras- und palmenreiche Oase
östlich der Sinaigrnppe. Nördlich vom eigentlichen Sinaigebirge zieht sich quer
durch die Wüste nach S.-O. das Kalkgebirge Tih hin, an welches sich nach N.
und No. die Wüste Paran anschließt. — Die klimatischen Verhältnisse des ganzen
Gebiets waren in allen Zeiten nicht so abschreckend und von der Wasserarmut wie
heute, und infolgedessen war die Tier- und Pflanzenwelt auch weniger armselig.
Zahlreiche kriegerische Völkerschaften durchzogen als Nomaden das Gebiet (Ama-
lekiter, Midianiter und Edomiter) und etwa 2mill. Israeliten konnten sich
eine Reihe von Jahren hier halten, wo heute kaum 5000 Beduinen sich ernähren können.
b) Die Sinaihalbinsel ist mit der Geschichte Israels eng verknüpft und reich
an biblischen Erinnerungsstätten. Sie war das Durchzugland des Volkes
Israel unter Moses von Ägypten nach dem Lande der Verheißung. Hier zeigte
Gott dem Volke seine Macht und Herrlichkeit; hier erzog er es durch Kampf mit
den Wüstenvölkern im Laufe der Zeit zu einem freiheitsliebenden, kriegerischen,
geistig und körperlich tüchtigen Volke, fähig und würdig, das Land der Verheißung
einzunehmen. Hier that er ihm durch Moses unter großen Naturerscheinungen in
den „zehn Worten" seinen Willen kund vom Berge Sinai. — Aus der Spitze des