1917 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Hirt, Ferdinand
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Provinz Brandenburg
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Geschichte.
I
3. Die Bauern.
a) Geschichte des Bauernstandes. Schon vor der Zeit Karls des
Großen gab es im Frankenreiche Herren mit großem Grundbesitz und Hörige,
die von ihnen abhängig waren. Nach und nach bildeten sich zwei Stände heraus:
der Herren- und der Bauernstand. Zur Zeit des Rittertums gelangte der Herren-
stand zu immer größerem Ansehen. Die Bauern hingegen wurden mehr und
mehr von den Rittern abhängig und sanken vielfach zu Leibeigenen herab.
Die Kreuzzüge brachten für den Bauernstand manche Erleichterung. Wenn
der Bauer an dem Kreuzzuge teilnahm, wurde er frei und blieb es auch nach
seiner Rückkehr. Die Kreuzzüge erweckten auch die Wanderlust, so daß mancher
Bauer gern nach dem Osten zog, um sich dort in dem eroberten Gebiete als
freier Mann anzusiedeln. Oft nahmen sie auch von Rittern und Geistlichen,
die ihre ausgedehnten Güter nicht selbst bewirtschaften konnten, Landesteile
in Erbpacht und gelangten auf diese Weise zu größerer Selbständigkeit. Sie
bauten Getreide, Obst und Wein und züchteten viele Pferde und Schweine,
weil Schweinefleisch eine beliebte Nahrung für Vornehme und Genüge war
und gute Pferde vou den Ritten: gern gekauft wurden. Auch die Zucht von
Rinden: und Schafen gewann mehr und mehr Verbreitung.
Nach den Kreuzzügen kamen für die Bauern schlimme Zeiten. Früher
hatten sie oft Gelegenheit gesunden, unbebautes und herrenloses Land für
sich in Besitz zu nehmen, wenn der heimatliche Boden nicht genug Nahrung
für sie bot. Auch in den Städten hatte man sie gern als Arbeitskräfte an-
genommen. Das war nun alles anders geworden. Unbebaute und herrenlose
Landstriche gab es nicht mehr. Die Städte nahmen keine Landbewohner als
Arbeiter mehr auf, und zu Ansiedlungen im Osten bot sich auch keine Gelegen-
heit. Deshalb mußten die Besitzungen der Bauern unter die Kinder geteilt
werden. So wurde der Besitz des einzelnen immer kleiner und die Armut
immer größer. Der Bauernstand versank allmählich fast ganz in Hörigkeit und
Leibeigenschaft. Dazu hatte er unter den Kämpfen der Ritter viel zu leiden.
Weil die Burgen schwer zu erobern waren, zerstörte man die Dörfer, die den
feindlichen Rittern gehörten, trieb den Bauern die Herden weg u:td verwüstete
ihre Äcker. Ihr Elend wurde mitunter so groß, daß sie die Lust zur Arbeit ver-
loren und mit ihrem Lose sehr unzufrieden wurden, was später zu den Bauern-
kriegen führte. Nur in Westfalen, Friesland, Bayern, Schwaben und in der
Schweiz hatten sich viele freie Bauen: erhalten. Sie wohnten in stattlichen
Höfen, lebten in Wohlstand und suchten ihre Rechte und Freiheiten zu wahren.
Den Schweizer Bauern gelang es sogar, im Kampfe für Freiheit und Recht
Ritterheere zu besiegen.
b) Besiedlung slawischer Länder im Osten Deutschlands. Das
Land östlich der Elbe war seit der Völkerwanderung von slawischen Volks-
stämmen bewohnt, mit denen Heinrich I., Otto I., Markgraf Gero, Heinrich
der Löwe von Braunschweig, Albrecht der Bär und andre Fürsten schwere Kämpfe
zu bestehen hatten. Unter den Nachfolgern Ottos des Großen, die meistens
in Italien weilten, mußten die deutschen Fürsten an den Grenzen der slawischen