1917 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Hirt, Ferdinand
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Provinz Brandenburg
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Der Weltkrieg 1914/17.
hatten, sie wollten lücht mit der verhaßten Regierung, sondern mit denr deutschen Volke
verhandeln. Als Kriegsziel lvurde hingestellt: Keine Kriegsentschädigung, keine ge-
waltsame Aneignung fremder Gebiete, Verständigung unter den Völkern zur Sicherung
eines dauernden Friedens. Reichskanzler von Bethmann Hollweg legte nur diese Zeit
sein Amt nieder; sein Nachfolger, Or. Michaelis, trat mit Kraft und Wärnre für das
neue Friedensangebot ein. Wieder wiesen die Feinde in Haß und Raubgier die Frie-
denshand zurück. Damit luden sie eine schwere Blutschuld auf sich; denn die Kämpfe
entbrannten nun heißer als je zuvor.
Ii. Neue Feinde, a) Amerika. 1. Deutschland und Amerika vor dem Ab-
bruch der Beziehungen. Vor dem Weltkriege fand zwischen Deutschland und Ame-
rika ein umfangreicher Güteraustausch statt. Deutschland bezog von dort hauptsächlich
Baumwolle, Zink, Kupfer, Weizen, Schmalz, Fleisch, Felle und Erdöle und lieferte
nach dort Stahlwaren, Spielzeug, Färb- und Arzneistoffe und Porzellan. Auch die
Beziehungen zwischeit den Regierungen beider Länder ließen anscheinend nichts zu
wünschen übrig. Nichts deutete auf Feindseligkeiten hin. Als der Weltkrieg ausbrach,
war England eifrig bemüht, durch Verleumdungen in der Presse aller Völker Feind-
schaft gegeit Deutschland zu erwecken. Die amerikanischen Zeitungen druckten das
englische Lügengewebe von deutschen Niederlagen, Greueln, Völkerrechtsbrüchen,
Hungersnöten und inneren Wirren mit großen Buchstaben nach und verbreiteten schwere
Beschuldigungen gegen Kaiser und Fürsten, Heerführer und Soldaten, Minister und
Beanrte. Als es der deutschen Regierung gelang, die drahtlose Verbindung mit Amerika
wieder herzustellen, brachten die Zeitungen die deutschen Kriegsberichte und Kanzler-
reden; aber die Volksseele war bereits so sehr vergiftet, daß die Stimmung gegen
Deutschland immer feindseliger wurde. Dies trat besonders in der „amerikanischen
Neutralität" zutage. Die Anrerikaner stellten ihre Industrie und ihr gesamtes Wirt-
schaftsleben aus den Krieg ein und lieferten unseren Gegnern in den ersten 32 Kriegs-
monaten zu hohen Preisen Sprengstoffe, Schußwaffen und sonstiges Kriegsmaterial
im Gesamtbeträge von rund 80 Milliarden Mark, dazu viel Lebensmittel, so daß sich
ein wahrer Goldregen über das Land ergoß. Dadurch blieben unsere Feinde vor dem
Untergange bewahrt; aber an dem reichen Gewinn der Amerikaner klebte deutsches
Blut. Die Aufforderung der deutschen Regierung, die Kriegslieferungen einzustellen,
lehnte Präsident Wilson ab und erklärte, dies sei mit der wahren Neutralität nicht ver-
einbar; Amerika würde gern auch für die Mittelmächte liefern, wenn der Seeweg zu
ihnen offen stände. Wilson begünstigte überhaupt unsere Gegner in auffallender Weise.
Die englische Seesperre erkannte er als völkerrechtlich an, obgleich sie dazu bestimmt
war, unser Volk von 70 Millionen auszuhungern. Als unsere Gegner durch Führung
falscher Flagge, durch Bedrückung neutraler Staaten, durch Bewaffnung von Handels-
dampfern, durch Kontrolle über die Schiffspostsendungen neutraler Länderund andere
Gewaltmaßregeln das Völkerrecht verletzten, begnügte er sich mit „Protestnoten", die
England meistens unbeantwortet ließ. Als Deutschland jedoch 1915 die Gewässer um
England als Kriegsgebiet erklärte und den Ii-Bootkrieg rücksichtslos durchführen wollte,
drohte Wilson mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland.
Hierauf lenkte die deutsche Regierung um des lieben Friedens willen ein und wies ini
Frühjahr 1916 ihre Seestreitkräfte an, Handelsschiffe ohne Warnung nur dann zu ver-
senken, wenn sie fliehen oder Widerstand leisten sollten, Menschenleben aber zu retten.
Für den Fall, daß es Wilson nicht gelingen sollte, England zur Beachtung des Völker-
rechts im Seeverkehr zu bewegen, behielt sich aber die deutsche Regierung freie Ent-
schließungen vor.