1902 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, E. von
- Hrsg.: Tromnau, Adolf
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Posen
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3. Religion und Volksbildung.
Die oberste Kirchenbehörde der evangelischen Kirche in der Provinz
ist das Konsistorium zu Posen, an dessen Spitze der Konsistorial-Präsident
steht. Ter General-Superintendent ist der revidierende Kommissar des
Konsistoriums in internen Angelegenheiten. Die Provinz gliedert sich in
Diözesen, die von Superintendenten geleitet werden, diese wieder in
Pfarreien oder Kirchspiele unter der Seelsorge der Pfarrer oder Pastoren.
An der äußeren Verwaltung haben auch die Gemeindemitglieder Anteil (Ge-
meindevertretung). In jeder Gemeinde besteht außerdem ein Gemeinde-
kirchenrat, zu dem der Pfarrer und, je nach der Größe der Gemeinde, vier
bis zwölf Kirchenälteste gehören, die von der Gemeinde gewählt werden. In
der Diözese besteht die Verwaltungsbehörde der Kreissynode, in welcher der
Superintendent den Vorsitz führt, und zu der sämtliche Geistliche der Diöeese
und doppelt soviel Laienmitglieder gehören. Gewöhnlich tagt die Kreissynode
jährlich einmal. Alle zwei Jahre tritt die Provinzialsynvde zusammen,
zu welcher der General-Superintendent, sämtliche Superintendenten der Provinz
und aus jeder Diözese zwei von der Kreissynvde gewählte Mitglieder gehören.
An der Spitze der Provinzialsynvde steht ein von dieser gewählter Präsident.
Die katholische Kirche der Provinz leitet der Erzbischof von Gnesen
und Posen, der seinen Sitz in Posen hat. Das Bistum Posen ist mit dem
Erzbistum Gnesen für immer vereinigt. Beide 'haben aber je ein Metro-
politankapitel in Gnesen und in Posen. Auch hat in beiden Städten je ein
Weihbischof seinen Sitz. Das Erzbistum gliedert sich in Dekanate,
diese wieder in Pfarreien. Tie Dekane vermitteln die kirchlichen und
Verwaltungsgeschäfte zwischen dem erzbischöflichen Konsistorium und den
einzelnen Pfarreien. Vikare und Kapläne sind Gehilfen der Pfarrer. Die
Ausbildung der Geistlichen geschieht auf den Priesterseminaren in Posen und
Gnesen. Die Selbstverwaltung der Gemeinden ist im wesentlichen auf die
Vermögensverwaltung beschränkt. —
Die Volksbildung hat in neuester Zeit in der Provinz bedeutende Fort-
schritte gemacht. Obgleich Posen bei den Rekruteneinstellungen (mit West-
preußen) noch immer die meisten Analphabeten aufweist, so ist deren Zahl
doch bereits stark gesunken und beträgt zur Zeit 0,:$5% (Reichsdurchschnitt
nur 0,07%, Preußen 0,10%).
Zum Zweck der Schulbildung bestehen zahlreiche Volksschulen, ferner
Mittelschulen und höhere Unterrichtsanstalten. Eine Volksschule be-
steht fast in jedem Orte; die Schulpflicht währt vom 6. bis 14. Lebensjahre.
In kleineren Ortschaften ist die Schule einklassig, in größeren zwei- und drei-
klassig, in manchen Dörfern und in den Städten mehrklassig. Die Volks-
schulen sind der Königl. Regierung untergeordnet und tverden von Kreisschul-
inspektoren beaufsichtigt. Eigentliche Knaben- und Mädchen-Mittel-
schulen gibt es nur in Posen, Bromberg und Jnowrazlaw. Doch gehören
zu den mittleren Schulen auch die „gehobenen" Knabenschulen und die
höheren Mädchenschulen. Letztere stehen meist unter der Aufsicht der Königl.
Regierung. Vollausgebaute höhere Mädchenschulen sind neuerdings dem
Provinzialschulkollegium in Posen unterstellt, so die höheren Mädchenschulen in
Posen, Bromberg und Schneidemühl. An höheren Lehranstalten hat die
Provinz Posen 17 Gymnasien, 1 Realgymnasium, 1 Oberrealschule und
2 Progymnasien. Sie sind sämtlich dem Königl. Provinzialschulkollegium
Landeskunde der Provinz Posen. 2. Anst. Z