1882 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: ,
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
227
mit seinem Heere den Euphrat; die an demselben aufgestellte persische
Heeresabteilung zog sich, alles verwüstend, über den Tigris zurück.
Dieser reißende Strom hatte seine Ufer überschwemmt, so daß man die
Furten nicht sehen konnte. Dennoch ließ sich Alexander nicht vom Über-
gange zurückschrecken. Die Waffen über dem Kops haltend, umgeben von
der Reiterei, den König selbst an der Spitze, ging das Fußvolk durch
den Fluß. Kaum vermochten sie in den reißenden Fluten und ans den
schlüpfrigen Steinen im Flußbett festen Fuß zu fassen. Einer stieß und
drängte den andern, und leicht hätte das ganze Heer vernichtet werden
können, wenn es der Feind am jenseitigen User erwartet hätte. Aber
kein Feind war zu sehen, und so wurde der schwierige Übergang nur mit
dem Verluste einiges Gepäckes glücklich bewerkstelligt.
Auf der großen Ebene bei Gaugamela in der Nähe des alten
Ninive stand endlich Alexander dem ungeheuren Perserheere gegenüber.
Die Macedonier, schon durch eine Mondfinsternis erschreckt, gerieten in
nicht geringe Bestürzung, als sie die ganze Ebene bei Nacht von feind-
lichen Feuern erleuchtet sahen, und ein verworrenes Getöse, wie aus
einem unabsehbaren Meere, zu ihnen hinüber drang. Parmenio und die
älteren Feldherren rieten deshalb dem Könige, die Perser bei Nacht
anzugreifen; doch er entgegnete ihm mit edlem Stolze: „Ich will den
Sieg nicht stehlen." Er schlief während des übrigen Teiles der Nacht
gegen seine Gewohnheit so fest, daß ihn Parmenio am Morgen erst
wiederholt beim Namen rufen nmßte, ehe er erwachte. Parmenio sprach
seine Verwunderung darüber aus, daß'er so fest schliefe, als ob er schon
gesiegt hätte und nicht erst die entscheidende Schlacht liefern wollte.
„Meinst du denn nicht, daß wir schon gesiegt haben," versetzte Alexander
lächelnd, „da wir nun endlich nicht mehr nötig haben, umher zu ziehen
und den Darius, der jeder Schlacht ausweicht, in einem so großen und
verheerten Lande aufzusuchen?" Und seine Siegeszuversicht hatte ihn
nicht getäuscht. Die Perser wurden gänzlich geschlagen, und Darius
selbst konnte sich nur durch die eiligste Flucht retten, indem er Wagen
und Waffen im Stich ließ.
Durch diesen Sieg bei Gaugamela, 331 vor Christi Geburt, wurde
Alexander Herr des großen persischen Reiches. Unmittelbar nach dem-
selben fiel Babylon in seine Hand; später eroberte er Susa, die gewöhn-
liche Residenz der Perserkönige, und Persepolis, die Wiege und die Grab-
stätte ihres Geschlechtes. Erst im Frühlinge des Jahres 330 machte er
sich zur Verfolgung des Darius auf. Hierbei kam er einst in große
Gefahr des Lebens. Er zog nämlich bnrd) eine große Sandwüste, in
welcher sich nirgends Wasser fand. Endlich hatten einige Soldaten etwas
Wasser gefunden. Sie füllten damit einen Helm und brachten ihn dem
Könige. Als er aber sah, daß seine Soldaten eben so, wie er, vor Durst
lechzten, sprach er: „Soll ich denn der einzige sein, der trinkt?" und
goß das Wasser auf die Erde. Solche Enthaltsamkeit konnte ihre Wir-
kung nicht verfehlen. Alle riefen begeistert aus: „Auf, führe uns weiter,
wohin du willst! Wir sind nicht müde, nicht dnrstig; wir halten uns
nicht einmal für sterblich, so lange ein solcher König uns führt."
Dennoch erreichte Alexander nur mit 60 Mann das persische Lager,
und auch die Freude, seinen unglücklichen Gegner, der, von Dorf zu
15*