1882 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: ,
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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um mich abzuholen," sagte Ludwig gefaßt, „ich bitte nur um einen Augen-
blick." Er übergab sein Testament einem städtischen Beamten, forderte
dann seinen Hut und sagte mit fester Stimme: „Gehen wir!"
Aus der Treppe sah er den Geistlichen auf sich warten. Er wollte
von ihm Abschied nehmen. „Nein," erwiderte dieser edle und standhafte
Tröster, „mein Berus ist noch nicht zu Ende," und er folgte ihm in einem
zweiten Wagen, da ihm die Herzlosigkeit nicht verstattete, an Ludwigs
Seite Platz zu nehmen. Langsam ging der Zug durch eine Doppelreihe
von Soldaten — über 40 000 Mann standen unter den Waffen — dem
Revolutionsplatze zu, wo die Guillotine aufgerichtet stand. Es dauerte
über eine Stunde, ehe man ankam. Es war die letzte Prüfung für den
armen König, gewiß eine der härtesten. Als Ludwig aus dem Richtplatze
angekommen war und den Wagen verlassen hatte, trat ihm sogleich der
Geistliche zur Seite. Mit festem Schritte stieg der Verurteilte die Stufen
des Blutgerüstes hinan und empfing dort den Segen des Priesters. Er
ließ sich, obwohl mit Widerstreben, die Hände binden, trat dann aber
lebhaft, wenngleich schon entkleidet, gegen die linke Seite des Schafotts
hervor und begann mit vernehmlicher Stimme: „Franzosen, ich sterbe
unschuldig, und du, unglückliches Volk--------", da übertönte das Wirbeln
der Trommeln, wozu seine Henker schnell das Zeichen gegeben hatten,
seine Stimme. Er trat zurück, die rohe Gewalt der Scharfrichter nicht
abwartend; der Priester rief ihm zu: „Sohn des heiligen Ludwig, steige
zum Himmel empor!" und das einst gekrönte Haupt des milden Königs
fiel. Kaum war die Hinrichtung geschehen, so drängten sich tausende
herbei, und viele davon tauchten, die Gefahr und die Wut der Schreckens-
männer nicht achtend, ihre Taschentücher in das Blut des Königs. Die
Henker Ludwigs fühlten das Gefahrvolle des Drängens der Menge auf
dem Schafotte; man eilte deshalb so viel als möglich, den Leichnam ihren
Blicken zu entziehen, und um auch nicht den kleinsten körperlichen Rest
übrig zu lassen, welcher der treuen Liebe zur tröstenden Erinnerung, zur
heiligen Reliquie werden, aber auch gerechte Rache herausfordern könnte,
versenkte man den Körper in ungelöschten Kalk, als wenn man das An-
denken des Vaters aus dem Gedächtnisse guter Kinder, eine schändliche
That aus den Tafeln der Geschichte weglöschen könnte.
249. Sandwirt Hofer.
1. Zu Mantua in Banden
Der treue Hofer war,
In Mantua zum Tode
Führt ihn der Feinde Schar;
Es blutete der Brüder Herz,
Gauz Deutschland, ach, in Schmach
3. Doch als aus Kerkergittern
Im festen Mantua
Die treuen Waffenbrüder
Die Händ' er strecken sah,
Da rief er aus: „Gott sei miteuch,
Mit dem verratnen deutschen Reich
Und mit dem Land Tirol!"
Der Tod, den er so manches Mal
Vom Jselberg geschickt in's Thal
Im heil'gen Land Tirol.
und Schmerz!
2. Die Hände auf dem Rücken
Andreas Hofer ging
Mit ruhig festen Schritten,
Ihm schien der Tod gering,