1882 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: ,
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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der Vorderbeine als Rapier einen Strohhalm, mit dem er seinem Gegner
an den Rüssel fuhr. Der Strohhalm ward an das Vorderbein an-
geleimt, und die Duellanten, die sich gern ihrer Waffen entledigt hätten,
machten zum Ergötzen aller Schaulustigen die possierlichsten Bewegungen
und fanden leicht Käufer. Die Ausbeutung der Maikäfer durch den
Menschen ernährt vielleicht einen Monat hindurch zahlreiche Familien.
Und doch haben diese und ähnliche Erwerbszweige, so sonderbar und
eigentümlich sie auch sind, nichts, was mit dem Anstande und der Sitte
im Kampfe stünde. Wie tausendfältig sind erst die Gewerbe, durch welche
das Laster in geheimen und verborgenen Schlupfwinkeln sich ernährt!
305. Die Docks in London.
Die Docks sind kiinstliche Wasserbecken, in denen die Schiffe ankern
und die von Warenhäusern, fünf bis sieben Stock hoch, eingefaßt sind.
Vier befinden sich auf dein linken, drei auf dem rechten Ufer der Themse.
Die ersteren allein haben einen Flächenraum von 450 englischen Ackern,
fassen 1200 Schiffe und haben für 10 Millionen sechsmalhunderttausend
Zentner Güter Lagerplatz.
Treten wir eine Wanderung durch eines dieser Docks an; wir
wählen dazu die London-Docks, die Jahr aus Jahr ein die belebtesten sind.
Das Thor steht für jeden offen. Fuhrwerke, Karren und Menschen
strömen ab und zu. Wir befinden uns in einer breiten, schlecht ge-
pflasterten Straße, die rechts von einer Reihe hoher Warenhäuser, links
von einer schlecht überworfeuen Mauer, an der ein paar hundert zwei-
räderige Karren angelehnt stehen, begrenzt ist. Wir haben durch die
Güte eines Kaufmannes eine allgemeine Einlaßkarte, die uns alle Thüren
und Thore öffnet. Da steht gleich rechts über einer Magazinthüre die
Inschrift: Elfenbeinhaus. Der Mann, der uns zur Begleitung mit-
gegeben ist, führt uns durch weite Räume, in denen wir aus Massen von
Elefantenzähnen, Rhinozeroshörnern, Sägefischwaffen und Schildkrötplatten
stoßen. Aus der Straße, in welcher das Elfenbeinhaus mit noch anderen
Magazinen steht, kommen wir aus einen ungeheuern, offenen Raum, der
im Süden durch das größte Wasserbecken ab- und ringsherum von
Warenhäusern eingeschlossen ist. So weit das Auge reichen kann, liegt
Faß an Faß gerecht. Zwischen denselben laufen schmale Wege kreuz und
quer, auf denen sich Menschen, Pferde, Karren aller Art wirr durch ein-
ander treiben. Zur Linken, wo wir gerade stehen, sieht alles merkwürdig
blau gefärbt aus. Ein nach drei Seiten freistehendes, wohl fünf Stock-
werke hohes Gebäude zeigt uns ein tiefblau gefärbtes Eiugangsthor. Die
Fensterrahmen sind blau, die Wände der inneren Gänge, die Treppen und
Geländer sind blau, und — sonderbar — auch die Arbeiter, die aus-
und eingehen, sind blau in ihrer Kleidung, in ihrer Gesichtsfarbe bis ins
Weiß des Auges hinein. Auf die Gefahr, selbst blau gefärbt zu werden,
treten wir ins Thor; es führt zu den Judigolagern, den größten und
reichsten der Welt. Wohl ist die kostbare Ware in tausend und aber
tausend Kisten sorgfältig verpackt, die meisten von ihnen noch fest ver-
schlossen, wie sie von den bengalischen Lieferanten zur weiten Seereise
hergerichtet wurden; aber der Jndigostaub ist sein, wie kein anderer; er