1913 -
Berlin
: Oehmigke
- Autor: Nohl, Walther
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Brandenburg
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Geographie, Brandenburg
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es ihm doch schwer aufs Herz, von dannen ziehen zu müssen.
Unwillkürlich hielt er den Schritt inne, wandte sich um und schaute
sinnend die prächtige Friedrichstraße hinab. Lange vermochte er
sich von dem Anblicke nicht loszureißen. „Es wäre doch wohl
schöner gewesen, wenn du in dem herrlichen Berlin hättest bleiben
können!" dachte er, und in der Erregung kamen die Worte laut
von seinen Lippen. „Doch nun ist es zu spät umzukehren! —
Ade denn! — Es muß geschieden sein! Vorwärts — nicht rück-
wärts mehr geschaut! Ade! —" Mutig entschlossen drehte er sich
wieder um und wollte weiter gehen.
„He, holla — junger Freund! — Wird Ihnen der Abschied
von Berlin denn wirklich so schwer?" rief ihm ein Mann zu, der
an dem Torwege einer Fabrikanlage stand und das Selbstgespräch
des Wanderburschen mit Wohlgefallen angehört hatte. „In der
Tat, Herr, man sollt's nicht glauben, daß das Herz so festgewachsen
ist an einem Ort, in dem man nur zwei Jahre gelebt hat", war
die Antwort Borsigs, der näher zu dem Fragenden getreten
war. „Was treibt Sie denn in die Fremde, wenn Sie gern hier
bleiben möchten?" Borsig erzählte dem Fremden sein Miß-
geschick.
Dieser fand an dem jungen Manne, der seine Antwort mit
offener, unbefangener Miene gab, immer mehr Gefallen.
„Hm," fuhr er fort, „also ein Baumeister wollten Sie werden,
und so ist es Ihnen ergangen ? —- Deshalb also müssen Sie wandern ?
— Hören Sie, junger Mann, Ihr Wesen gefällt mir. Wollen Sie
meinen Vorschlag, in meine Fabrik einzutreten, annehmen, so
können Sie hier bleiben und doch ein Baumeister werden, nicht
in Holz und Stein, aber einer in Erz und Eisen. Ich bin der Fabrik-
besitzer Egells, und diese Gebäude bilden, wie die Firma hier zeigt,
meine ,Neue Berliner Eisengießerei'."
„Das ist der Wink des Schicksals!" rief Borsig, und ohne
langes Besinnen streckte er dem Fabrikbesitzer die Hand ent-
gegen und sagte zu ihm: „Topp, ich bleibe hier und trete in Ihre
Fabrik ein. Ein Baumeister in Erz und Eisen! Ja, das sagt mir
noch mehr zu als das Zimmerhandwerk."
Der junge Borsig trat in die Egellssche Fabrik zunächst als
Zeichner ein. Neben der Eisengießerei betrieb man in der Fabrik
auch den Maschinenbau, und um alle seine Zweige von Grund
aus kennen zu lernen, wurde er ein schlichter Eisenarbeiter. So
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