1886 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menzel, J., Menges, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
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her! Die paar Stunden, die ich noch zu machen habe, wird
das Pferd wohl aushalten. Ich habe Eile." Und er ritt wieder
fort. Er ritt aber nicht lange, so fing das Pferd zu hinken an;
und das Pferd hinkte nicht lange, so fing es zu stolpern an; und
es stolperte nicht lange, so fiel es endlich und brach ein Bein
und stand nicht wieder auf. Da sagte der Kaufherr freilich nicht
mehr: „Pferd hin, Pferd her!" sondern er kratzte sich hinter
den Ohren, schnallte die Geldkatze und den Mantel ab und setzte
seinen Weg fort zu Fuß, wohl beladen mit Geld und Geld-
sorgen, und er hatte nun keine Eile mehr. Unterwegs aber
dachte er wohl: „An dem ganzen Unglück ist doch nur der ver-
maledeite Nagel schuld."
79. Vom Ratgeben.
Gieb acht, daß es dir nicht gehe wie dem Spatzen, der an-
dern Vögeln Rat gab, aber sich selbst nicht zu raten wußte noch
vor Gefahr sich zu hüten. Es hat sich nämlich begeben, daß die
Holztauben ein Nest mit Jungen auf einem hohen Baume gehabt
haben; da ist der Fuchs gekommen und hat gedrohet, er wolle
hinaufsteigen und die Jungen mit dem Neste nehmen, wenn sie
ihm nicht ein Junges herabwürfen. Da sind die Tauben erschrocken
und haben sich heftig gefürchtet. Zuletzt haben sie ihm ein Jun-
ges herabgeworfen; das hat der Fuchs genommen und ist damit
seines Weges gegangen. Als er aber hinweg gewesen, hat der
Spatz die Holztauben unterwiesen und gelehret: wenn er schon
wiederkäme, sollten sie ihm nichts geben, sondern sprechen, sie
wären in ihrem Neste; wenn er kühn wäre, sollte er hinaufsteigen.
Da nun der Fuchs wiedergekommen, haben sie ihm nichts mehr
geben wollen.
Alsbald hat der Fuchs gemerkt, daß der Spatz sie gewarnt
habe, der soeben auf einer nahen Dornhecke saß. Der Fuchs
kehrte sich zu ihm und schaute, wie er ihn möchte mit List hinter-
gehen. Er sprach: „Es ist doch ein freies Ding um einen
Vogel! Er kann hinfliegen, wo er will, und ist überall sicher
vor dem Jäger. Allein das ist bös, daß ihr euch im Winter vor
Kälte und Wind nicht könnt beschirmen." Darauf sprach der
Spatz mit großem Rühmen: „O, es schadet uns der Wind nicht;
denn wehet er von der rechten Seite, so stecken wir den Kopf
unter den linken Flügel; wehet er aber von der linken Seite her,
so stecken wir den Kopf unter den rechten Flügel, und so können
wir uns also vor allem Wind und- Frost erretten." Da er nun
ein langes und breites Geschwätz machet, spricht der Fuchs: „Du
sitzest zu hoch oben, ich kann dich nicht verstehen; denn ich höre