1873 -
Berlin
: Duncker
- Autor: Dielitz, Theodor, Heinrichs, Johann Ernst
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Realschule, Höhere Bürgerschule
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Amerika. Vertikale Gestaltung.
Nordamerika eine unter sich zusammenhangende Seenmaffe verbreitet (der
Wälder-, der große und kleine Winipeg-, der Hirsch-, der Athabasca-, der
große Sklaven -, der große Bären-See). Diese Seen bieten einer großen
Zahl von Flüssen ebenso reichliche Nahrung, wie sie der Lorenzfluß aus den
fünf kanadischen Seen, dem oberen, dem Michigan-, dem Huronen-, dem
Erie- und dem Ontario-See, empfängt. Der große Salzsee gehört dem
westlichen Hochlande an.
2. Das Tiefland Südamerikas, welches im ganzen nach O.
geneigt ist, zerfällt nach den drei Hauptwasseradern, von denen es durch-
zogen ist, in drei große Theile, nämlich in die Pampas des Rio de la Plata,
in die Selvas des Amazonenstromes und in die Llanos des Orinoco.
Die Pampas des Rio de la Plata, welche sich zwischen den chile-
nischen und peru-bolivianischen Anden westlich und dem brasilianischen
Gebirgslande östlich ausbreiten, sind eine Grassteppe, die von großen Herden
wilder Pferde und Rinder durchstreift wird, aber nur vereinzelte menschliche
Ansiedlungen enthält. Im S. geht sie in die unwirthbare kahle und felsige
patagonische Ebene über. Im N. hängt sie mit den S e l v a s d e s A m a -
zonenflusses zusammen, die zwischen den peruanischen und quite-
nischen Anden westlich, dem brasilianischen Gebirgslande südlich und dem
Hochlande von Guiana nördlich sich über einen Raum von 145000 lhjml.
ausdehnen. Sie bestehen zum Theil aus baumlosen Ebenen, den eigentlichen
Selvas, zum Theil aus undurchdringlichen sumpfigen Urwäldern, die von
riesenhaften Schlingpflanzen durchzogen sind. Nördlich gehen sie in die
Llanos des Orinoco über, welche während der trockenen Jahreszeit
eine von tiefen Spalten zerrissene Steppe bilden, nach dem tropischen Regen
sich aber in Grassluren verwandeln und dann den Herden wilder Pferde
und Esel Wohnung und Nahrung gewähren.
3. Das Tiefland Nordamerikas, welches zwischen dem Haupt-
gebirge im W. und dem Alleghany-Gebirge im O. sich vom Meerbusen von
Mexiko bis zum nördlichen Eismeere erstreckt, wird durch die Bodenan-
schwellung, die nördlich von den kanadischen Seen von W. nach O. sich
hinzieht, in ein nördliches und in ein südliches Becken getheilt. Das
nördliche Becken, das sich von dem Felsengebirge bis zum atlantischen
Ocean über einen Raum von 100000 Ihml. ausdehnt und den bedeu-
tenden Einschnitt der Hudsons-Bai gestattet hat, senkt sich hauptsächlich nach
N.o. ab und wird durch seine reiche Bewässerung vor dem Charakter der
Wüste bewahrt, den die polarische Kälte ihm aufzuprägen nur gar zu ge-
neigt ist. Das südliche Becken, die Missisippi-Niederung, senkt sich
nach S. ab und zerfällt durch diesen Strom in einen kleineren östlichen
Theil, der dicht bevölkert und wohl bebaut ist, und in einen größeren west-
lichen Theil, der namentlich auf den beiden Seiten des Missouri-Flusses von
den Savannen, den weiten Grasflächen, dem Aufenthaltsorte unzähliger
Büsfelherden, überdeckt ist. Beide Theile neigen sich der Bodensenkung zu,
durch welche der Missisippi dahinströmt.
4. Die Flüsse Amerikas haben, da das Hochland und das Tiefland
in diesem Erdtheil einander fast unvermittelt gegenüberstehen, eine sehr ein-
förmige Entwickelung. Der größte Theil ihres Laufes gehört der Ebene
an, in der die Wasserscheide zwischen den einzelnen Strömen oft ganz fehlt,