1897 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Schulze, Hermann
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Armen dorthin. Da er sehr fleißig war und schnell lernte, so sollte er einmal
ein gelehrter Mann werden. In seinen! 14. Jahre brachten ihn seine Eltern daher
auf die lateinische Schule zu Magdeburg und ein Jahr später nach Eisenach.
Hier ging er nach altem Brauch mit andern Chorschülern von Zeit zu Zeit in
den Straßen umher und sang vor den Häusern reicher Leute fromme Lieder.
Einst war er vor 2 Häusern ohne Singelohn abgewiesen worden. Traurig und
verzagt kam er zu der Wohnung der Frau Cotta. Diese hatte schon öfter gesehen,
wie schön und andächtig der arme Martin sang. Sie rief ihn herein, gewann
ihn sehr lieb und nahm ihn in ihr Haus und an ihren Tisch.
2. Sütf der Universität. 18 Jahre alt, bezog Luther die Universität Erfurt.
Hier studierte er mit großem Fleiße, und obwohl er ein hurtiger und fröhlicher
Geselle war, sing er doch alle Morgen sein Lernen mit herzlichem Gebete an.
Sein Sprichwort war: „Fleißig gebetet, ist über die Hälfte studiert." Auf der
dortigen Bibliothek fand er zum erstenmal die ganze heilige Schrift. Diese lag
ihrer Seltenheit wegen an einer Kette, damit sie nicht abhanden kommen sollte.
Bisher hatte Luther nur einige Stücke aus der Bibel kennen gelernt; jetzt hatte
er den ganzen Schatz. Das war eine Freude für ihn. Einst verfiel er in eine
schwere Krankheit und war dem Tode nahe. Da besuchte ihn ein alter Priester
und sprach: „Seid getrost! Ihr werdet dieses Lagers nicht sterben. Unser Gott
wird noch einen großen Mann aus Euch machen. Denn aus wem Gott etwas
ziehen will, dem legt er beizeiten das heilige Kreuz auf." Luther genas und
wurde 1505 Lehrer an der Universität zu Erfurt.
3. Im Kloster. Als Luther 1505 von einer Reise zu seinen Eltern nach
Erfurt zurückkehrte, überraschte ihn ein heftiges Gewitter, und ein Blitzstrahl fuhr
dicht neben ihm in die Erde. Da gelobte der durch dies Ereignis schwermütig
gewordene Jüngling, ein Mönch zu werden, und trat in das Augustinerkloster
zu Erfurt ein. Hier las er fleißig in der Bibel. Die Mönche aber sagten ihm:
„Mit Betteln und nicht mit Studieren dient man dem Kloster." Luther ließ
es sich blutsauer werden und unterzog sich den niedrigsten Arbeiten. Er fegte
die Zellen, läutete die Glocke, hütete die Thür und zog barfuß mit dem Bettelsack
in der Stadt umher, um Eier, Brot, Würste und Geld zusammenzubetteln. Ruhe
für seine Seele fand er jedoch nicht. Ein alter Klosterbruder aber, der sich seiner
freundlichst annahm, suchte ihn mit den Worten der Schrift zu trösten: „So
halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk, allein
durch den Glauben!" Im Jahre 1508 berief ihn Friedrich der Weise, Kurfürst
von Sachsen, zum Professor an die neugegründete Hochschule in Wittenberg.
4. Tetzel. Um diese Zeit schrieb Papst Leo X., der zum Bau der Peters-
kirche in Roul viel Geld nötig hatte, einen vollkommenen Ablaß aus. Dieser
sollte besonders auch dazu dienen, die Seelen der Verstorbenen aus dem Fegefeuer
zu erlösen. Unter den Ablaßkrämern, die in Deutschland umherzogen, ist namentlich
Tetzel bekannt geworden. Dieser trieb die ärgsten Mißbräuche mit dem Ablaß-
handel und machte ein gewöhnliches Geldgeschäft daraus. Solbald er in eine
Stadt kam, ging es in die Kirche. Vor dem Altar wurde eine rote Fahne mit
des Papstes Wappen ausgestellt und vor diese eine eiserne Truhe gesetzt, um das
Geld aufzunehmen. Nun forderte Tetzel fleißig zum Kaufen der Ablaßbriefe auf
und verhieß „vollkommene Vergebung der Sünden" jedem, der seinen Beitrag in
den Kasten geworfen habe. Von Reue und Buße schwieg er. Sein Wahlspruch
war: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt."
Für gewisse Sünden waren bestimmte Geldsummen festgesetzt. Ein Mord kostete
z. B. 8, ein Meineid 9 Dukaten Das arme bethörte Volk zahlte, und Tetzels Kasten
füllte sich mit Gold und Silber.