1884 -
Braunschweig
: Wollermann
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Realienbuch, Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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ihnen Hutten Waffen, die meisten waren Bauern und Leibeigne, die sich durch Raub
und Mord zu bereichern suchten. Die Ungarn aber, dadurch erbittert, fielen über die
wilden Banden her und erschlugen eine große Zahl. Andre wurden durch Hunger
und Krankheit dahingerafft; die aber, welche mit Peter Asien erreichten, wurden fast
alle von den Türken vernichtet. So waren an 160060 Menschen ums Leben gekommen,
und nur mit einem kleinen Häuflein kehrte Peter nach Konstantinopel zurück.
6. Das Kauptheer, welches aus den edelsten Rittern Frankreichs bestand, hatte
inzwischen seine Rüstungen beendet und wurde von Gottfried von Bouillon geführt. Es
nahm seinen Weg von Frankreich aus durch Ungarn und die Türkei und setzte bei
Konstantinopcl nach Asien über. Der ganze Zug, welcher sich aus etwa 6oo600 Personen
zusammensetzte, bewegte sich nur langsam vorwärts. Heißer Sonnenbrand erschlaffte die
Glieder, und bald fehlte es auch an Lebensmitteln. Endlich erreichte man das von
den Türken besetzte Antiochien und belagerte es. Aber die Not wuchs von Tag zu Tag;
man suchte den Hunger mit Pferdefleisch, Leder und Baumrinde zu stillen; dennoch
starben viele Tausende. Nach 9 Monaten endlich wurde die Stadt genommen; aber 3
Tage später nahte ein türkisches Heer und schloß die Kreuzfahrer ein. Nun brach
wieder eine schreckliche Hungersnot aus, und die Krieger lagen matt am Boden. Ta
trat eines Morgens ein Priester mit einer Lanze hervor, welche ihm, tvie er sagte, der
heilige Andreas gezeigt und als diejenige bezeichnet hatte, mit welcher Christus in die
Seite gestochen worden sei. Das belebte den Mut der ohnmächtigen Krieger; sie fielen
über die Türken her, schlugen sie und öffneten sich so den Weg nach Jerusalem.
7. Eroberung Jerusalems. Um die Pfingstzeit 1699 erreichte das Heer endlich
Jerusalem. Beim Anblick der heiligen Stadt fielen alle auf die Knie und stimmten
Lobgesänge an. Die Stadt wurde von 4000o Kriegern verteidigt, die Kreuzfahrer aber
hatten nur noch 20000 kampffähige Männer. Nach einer Belagerung von 4 Wochen wurde
dennoch die Stadt erstürmt, und mit dem Rufe: „Gott will es!" drangen die Sieger in
die Stadt ein. Schrecklich war das Los der Besiegten. Über die Treppe der Moschee rie-
selte das Blut der erschlagenen Sarazenen; die Juden wurden in ihrer Synagoge
verbrannt; kein Alter, kein Geschlecht blieb verschont. Die Straßen füllten sich mit
Leichen, und die Luft ertönte vom Jammergeschrei der Verwundeten und Sterbenden.
8. Hottfried wird Weschüher des heiligen Grabes. Nachdem die Rache gestillt
war, zogen die Krieger zur Kirche des h. Grabes und dankten Gott für den end-
lichen Sieg. Dann erwählten sie Gottfried zum Könige von Jerusalem; dieser aber
lehnte die Krone mit den Worten ab: „Wo mein Heiland eine Dornenkrone getra-
gen, will ich keine Königskrone tragen." Er nannte sich nur „Beschützer des heiligen
Grabes;" doch schon ein Jahr nachher starb er. Nun wurde sein Bruder Balduin
5nm Könige von Jerusalem erwählt.
9. Die späteren Kreuzzüge und ihre Isokgen. Im Laufe der beiden nächsten Jahr-
hunderte wurden noch 6 Kreuzzüge unternommen, einmal sogar von Knaben und Mädchen.
2n Pilgcrtracht gekleidet und von einigen Priestern und Mönchen begleitet, zogen sie in
großen Scharen nach dem Mittelmcer, um sich daselbst einzuschiffen. Viele aber erlagen den
Anstrengungen des Wegs, andre fielen Seeräubern in die Hände und nur wenige kehr-
ten, von ihrer Schwärmerei geheilt, in die Heimat zurück. Obwohl mehr als 6 Millionen
Menschen ihr Leben für die Eroberung des heiligen Landes dahin gaben, so konnte der
besitz desselben dennoch nicht dauernd erhalten werden. Jerusalem, Bethlehem u. a. er-
oberte Städte gingen nach und nach wieder in die Hände der Türken zurück, und 1291
Mußten auch nach'dem unglücklichen Ausgange des .siebenten Kreuzzngs Tyrus und Si-
die letzten fränkischen Besitzungen, abgetreten werden. Damit hatten die Krenzzüge
shr Ende erreicht. Wenn nun durch dieselben ein äußerer Erfolg auch nicht erzielt worden
w' so sind sie doch für die Entwicklung der europäischen Menschheit von der größten Be-
ocntung gewesen. Durch sic gewann der Papst, der ja als der eigentliche Oberbefehlshaber
^hgcsehen wurde, ganz bedeutend an Ansehen. Durch sie wurde der Ritterstand begeistert,
lern Schwert dem Dienste Gottes zu widmen und für die Ausbreitung des Evangeliums
äu wirken (Ritterorden). Den schönsten Gewinn aber trugen die Städte davon. In den
Kahnnilycr u. Schulze. Gr. Rcalicnbuch (I. Geschichte). 4