1884 -
Braunschweig
: Wollermann
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Realienbuch, Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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nichts davon und drängten die vorder» mit Gewalt in den Fluß hinein. Als man das
Unglück entdeckte, stürzte der Menschenschwarm sich auf die andre Brücke. Wagen,
Pferde und Menschen lagen hier über- und untereinander. Die Nachfolgenden kletterten
über die am Boden liegenden hinweg, und Tausende stürzten in den Fluß. Dazu
donnerten die Kanonen, und die Kugeln pfiffen dazwischen. Als Napoleon mit dem
Hauptheer hinüber war, wurde die Brücke abgebrochen. Wer noch drüben war, fiel
den Russen in die Hände. — Von der großen Armee erreichten nur etwa 30000 Mann
halb erfroren und verhungert die polnische Grenze-
6. Aork. Der General Aork hatte den Oberbefehl über das 20000 Mann starke Hülfs-
heer, welches Preußen dem Kaiser Napoleon hatte stellen müssen. Er war dem Marschall
Macdonald untergeordnet worden, dessen Gesamtmacht den linken Flügel des französischen i
Heers bildete. Als Aork die Nachricht von dem schmählichen Ende des französischen Haupt-
heers erfuhr, erfüllte Freude seine Brust. Nur mit Widerwillen hatte er stets für die Sache
der Franzosen gekämpft. Jetzt hielt es ihn nicht länger. Als er am Weihnachtsabend mit
dem russischen General Diebitsch zusammenstieß, trat er mit demselben in Unterhandlungen,
welche damit endeten, daß Port sich von den Franzosen trennte. Als ihm seine Offiziere
infolge dieses Beschlusses zujubelten, sagte er ernst: „Ihr habt gut reden, Ihr jungen Leute, ,
aber mir Altem wackelt der Kopf auf den Schultern." Dann zeigte er dem Könige von
Preußen seinen Entschluß an und schrieb dabei: „Ew. Majestät lege ich willig meinen
Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt haben sollte. Ich würde mit der freudigen Beruhigung
sterben, wenigstens nicht als treuer Unterthan und wahrer Preuße gefehlt zu haben." Als
der König diesen Brief empfing, soll er ausgerufen haben: „Da möchte einen ja der Schlag
treffen!" Uork wurde seines Kommandos entsetzt. Der Adjutant aber, welcher ihm diesen
Befehl überbringen sollte, wurde von den Russen aufgefangen und festgehalten, und so
blieb Dork auf seinem Posten. — Der König verlegte bald darauf seine Residenz nach
Brcslau.
69. Die Ireiheitslrriege. 1813 und 1815.
1. Erhebung. Jetzt schien die Zeit gekommen, das Joch Frankreichs abzuschütteln;
das fühlte jeder. Auch der König faßte Mut und erklärte, nachdem er sich mit Rußland
verbündet hatte, an Frankreich den Krieg. Am Tage darauf erließ er den Aufruf.'
„An mein Volk!" und von allen Seiten strömte alt und jung, reich und arm herbei,
das Vaterland zu retten oder mit Ehren unterzugehen. Die Studenten verließen die
Lehrsäle, die Gesellen die Werkstätten. Ein Bauer brachte ein Pferd und sagte: „5
haben mir die Franzosen gestohlen, das 6. will ich ihnen nachschicken." Der Freiherr
von Lützow errichtete zu Breslau eine Freischar, die sich aus den vornehmsten Jünss
lingen zusammensetzte. Auch der Dichter Körner, der Sänger von „Lützows wilder,
verwegener Jagd," gehörte derselben an. Wer kein Geld hatte, legte seine Schmucksachen
auf den Altar des Vaterlandes. So würden 160000 goldene Trauringe eingesandt. Dafür
erhielten die Geber eiserne mit der Inschrift: „Gold gab ich für Eisen 1813." Ein junges,
armes Mädchen, Ferdinande von Schmcttau, ließ sich ihr schönes Haar abschneiden
und legte die 9 Mark, welche sie dafür gelöst hatte, auf den Altar des Vaterlandes-
2. Hroßgörschen und Wauhen. Bald rückte Napoleon mit einer großen Mackst
heran; in der weiten Ebene von Leipzig kam es bei Großgörschen (2. Ma0 zu* ■
Schlacht. Die Freiwilligen bestanden hier ruhmvoll die erste Feuerprobe, aber die
Schlacht blieb unentschieden. Leider wurde hier der edle Scharnhorst verwundet.
starb einige Wochen später zu Prag. Noch einmal rangen beide Heere bei Bautzen
miteinander; aber den Sieg konnte sich auch hier keine Partei zuschreiben. „Wie?" l'icr
Napoleon entrüstet aus, „nach solcher Schlächterei keine Erfolge? Nicht einmal den
Nagel von einer Kanone lassen sich die Preußen nehmen!"
3. Waffenstillstand. Jetzt wurde ein sechswöchentlicher Waffenstillstand abge i
schloffen. Während desselben traten Östreich und Schweden dem Bunde gegen Napoleon
bei. Nun wurden 3 große Armeen gebildet: 1, die Nordarmce unter dem Kronprinzen
Bernadotte von Schweden; 2, die schlesische Armee unter Blücher und 3, die Ho"^
armee unter Schwarzenberg in Böhmen.