1912 -
Danzig
: Kasemann
- Autor: ,
- Hrsg.: Gehrke, Paul, Schwandt, Wilhelm, Preuß, H., Hecker, Robert
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Seminar, Präparandanstalt, Mittelschule, Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Wenn man aus leisem Kahn durch Binsen, Rohr und Schilf hindurch-
gleitet und am westlichen Horizont die Abendsonne die Türme Elbings ver-
goldet, dann spielt die Künstlernatur uns ein anderes Lied. Aus dem
Weidenbusch tönt der langgezogene Triller des Grillensängers, klagend und
anheimelnd zugleich; dumpf rollt der Ruf der Rohrdommel, man weiß nicht
von nahe oder fern; eine letzte Möwe schreit über uns hinweg; ringsum
beginnt ein Choral, schwellend und brausend, tausendstimmig, trotz seiner
Disharmonie schön in seiner eintönigen Unendlichkeit: der Frösche Abend-
gesang. Plötzlich knallt ein Schuß, von allen Hunden mit hallendem Gebell
begrüßt, ein Machtzeichen des Menschen, des Herrn der Natur. Ehrfürchtig
und erschreckt lauscht einen Augenblick das Getier empor. — Ein Herbsttag
lagert über dem See. Braun flattert die Mähne des reifen Rohres im
Winde, wilde Enten und Gänse schnattern zum Abschied, und mahnend bläst
der Kranich zum Aufbruch. Klingend schwirren die Schwäne fort, dem Süden
zu. — Der Winter ist da und hat den See in feste Bande geschlagen. Die
Tierwelt hat sich zur Ruhe begeben. Doch frohes Lachen schallt über das
Eis. Eine Schlittenpartie rauscht mit fröhlichen Leuten vorüber. Dumpf
dröhnt hinter den Lustigen her ein rollendes Krachen, und ein Riß zeigt sich
in der kristallenen Fläche.
„Der Wichert schlägt", sagt das Volk und frischt beim dampfenden
Glase alte Sagen und Erinnerungen auf. j Tesseudorf.
In den Elbinger Bergen.
federleicht war mein Gepäck, ettvn so leicht als mein Sinn, als ich
die Wanderung in „die Berge" antrat. Wer am Harz lebt oder am Riesen-
gebirge, wer die waldigen Höhen des Thüringerlandes oder Frankens täg-
lieh vor sich hat, der weiß nicht, wie es uns hier zu Mute wird, wenn wir
einmal etwas sehen, was uns an jene schöne Berggegenden erinnert.
Der Bergzug zwischen Frauenburg und Elbing, vier Meilen lang und
etwa halb so breit, ist kaum 600 Fuß hoch und reicht den obengenannten
Bergen nur bis zum Knie; aber es ist doch eine Höhe! Man sieht sie
meilenweit sich duftig und blau aus der Ebene erheben, in schön ge-
schwungenen Kuppenlinien und sich allmählich abdachend, zum Haff und zur
Elbinger Niederung, oder sich in den Höhen des malerischen Oberlandes
fortsetzend. Aber was jene Gegenden nicht haben und was diesen Bergzug
so wunderbar macht, an seinem Fuße da lebt es und webt es, da rauschen
die Wellen des Haffs, das sich küstenlos nach Norden hindehnt, und von
drüben weht uns die scharfsalzige Lust des Meeres entgegen und lockt
unsern Blick über die weißglänzende Nehrung hinüber aus die Wellen des
tiefblauen Meeres, das von einem, vielleicht auch mehreren Segeln, vielleicht
einem Dampsbvote belebt wird. Tieseingeschnittene Waldtäler und Schluchten
gliedern den Bergzug; an muntern Flüßchen klappern die Mühlen, und
Buchenwälder, so schön wie in dem schönen Holstein, tränken ihre Wurzeln
noch in dem Wasser des Haffs.