1912 -
Danzig
: Kasemann
- Autor: ,
- Hrsg.: Gehrke, Paul, Schwandt, Wilhelm, Preuß, H., Hecker, Robert
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Seminar, Präparandanstalt, Mittelschule, Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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in Deutschland jetzt vorherrschend geübten Kahlschlag werden die urwüchsigen
Bäume und Sträucher nahezu gänzlich vernichtet, und gleichzeitig schwindet
ein Teil der übrigen Pflanzen- und Tierwelt, deren Lebensbedingungen mehr
oder weniger an jene geknüpft sind. Alljährlich gehen seltene Bäume durch
elementare Gewalt, wie durch Unachtsamkeit und Willkür verloren; ganze
Waldteile fallen der Axt oft schonungslos zum Opfer.
Auch die Moore gehen allmählich dem Landschaftsbild unserer Heimat
verloren. Es gab eine Zeit, da ein großer Teil unseres Vaterlandes mit
Mooren bedeckt war. Als zu Beginn unserer Zeitrechnung die römischen
Heere nach dem nordwestlichen Deutschland vordrangen, mußten sie vielfach
erst Bohlenwege anlegen, um das Gelände passierbar zu machen. Noch um
die Mitte des 17. Jahrhunderts meinte der Holländer Pickardt, daß die
Moore durch die strafende Hand Gottes verordnet seien zur Plage der
Menschen. Seitdem hat sich alles geändert. Schon lange werden die Moore
drainiert und melioriert, und wo früher ein Moor war, findet sich jetzt
vielfach ein blühendes Kartoffel- oder Getreidefeld. Genossenschaften haben
sich gebildet, um die Meliorationen zu fördern, und besondere Baubeamte
stehen diesen Arbeiten nnt Rat und Tat zur Seite. Schon ist es dahin
gekommen, daß im ganzen Staatsgebiet, wenn man von schwer zugänglichen
Stellen im Gebirge absieht, kaum noch ein völlig unberührtes Moor von
erheblicher Ausdehnung besteht. Das ist in hohem Grade erfreulich vom
wirtschaftlichen und auch vom gesundheitlichen Standpunkt, weil im allge-
meinen mit dem Sinken des Grundwasserspiegels der Gesundheitszustand der
Bevölkerung sich hebt. Aber daneben ist der wissenschaftliche Standpunkt
wohlberechtigt, und von diesem aus ist es zu bedauern, daß mit der Kultur
der Moore ein charakteristisches Landschaftsbild und eine eigenartige Pflanzen-
und Tiergemeinschaft für immer dahin schwindet. Auf dem naßkalten Boden
der Moore haben sich seltene Pflanzen- und Tierarten erhalten, darunter
auch solche, welche teilweise bereits in frühester Zeit bei uns verbreitet
waren und seitdem zum größten Teil eingegangen sind.
Wie die großen Pflanzengemeinschaften, sind auch einzelne Pflanzen-
arten örtlich von der Kultur bedroht. So ist die Eibe als wild wachsender
Strauch in vielen Gegenden im Schwinden begriffen oder auch völlig ver-
schwunden. Neben anderen Ursachen tragen besonders die Nachstellungen
seitens des Menschen dazu bei. Einmal war schon immer ihr Holz sehr
beliebt, da es ein vorzügliches Material für Armbrüste abgab, und deshalb
wurden ganze Schiffsladungen Eibenholz vom Kontinent nach England ge-
bracht. Sodann werden die dunkelgrünen Zweige gern zum Schmuck von
Gräbern usw. verwendet.
Ferner kann das Maiglöckchen, das in vielen Gegenden gemein ist,
durch Unvernunft örtlich gefährdet werden. Es ist z. B. vorgekommen, daß
ein Vater von 1l Kindern mit diesen zusammen in dem benachbarten Guts-
wald alljährlich Maiblumen sammelte, welche dann für den Handel nach
Berlin gesandt wurden. Von der Insel Rügen sind in einem Jahre nicht
weniger als 3400 kg Maiblumen zur Ausfuhr gesammelt, wovon etwa
die Hälfte nach Berlin ging. Es ist nicht zweifelhaft, daß durch eine so
übermäßige Nutzung die natürlichen Bestände der Pflanze verringert und
schließlich auch stellenweise vernichtet werden können. Damit schwindet ein
reizvolles Moment unserer Waldespoesie, das Ad. Schutts so schön besingt: