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1. Heimatkundliches Lesebuch - S. 233

1912 - Danzig : Kasemann
233 in Deutschland jetzt vorherrschend geübten Kahlschlag werden die urwüchsigen Bäume und Sträucher nahezu gänzlich vernichtet, und gleichzeitig schwindet ein Teil der übrigen Pflanzen- und Tierwelt, deren Lebensbedingungen mehr oder weniger an jene geknüpft sind. Alljährlich gehen seltene Bäume durch elementare Gewalt, wie durch Unachtsamkeit und Willkür verloren; ganze Waldteile fallen der Axt oft schonungslos zum Opfer. Auch die Moore gehen allmählich dem Landschaftsbild unserer Heimat verloren. Es gab eine Zeit, da ein großer Teil unseres Vaterlandes mit Mooren bedeckt war. Als zu Beginn unserer Zeitrechnung die römischen Heere nach dem nordwestlichen Deutschland vordrangen, mußten sie vielfach erst Bohlenwege anlegen, um das Gelände passierbar zu machen. Noch um die Mitte des 17. Jahrhunderts meinte der Holländer Pickardt, daß die Moore durch die strafende Hand Gottes verordnet seien zur Plage der Menschen. Seitdem hat sich alles geändert. Schon lange werden die Moore drainiert und melioriert, und wo früher ein Moor war, findet sich jetzt vielfach ein blühendes Kartoffel- oder Getreidefeld. Genossenschaften haben sich gebildet, um die Meliorationen zu fördern, und besondere Baubeamte stehen diesen Arbeiten nnt Rat und Tat zur Seite. Schon ist es dahin gekommen, daß im ganzen Staatsgebiet, wenn man von schwer zugänglichen Stellen im Gebirge absieht, kaum noch ein völlig unberührtes Moor von erheblicher Ausdehnung besteht. Das ist in hohem Grade erfreulich vom wirtschaftlichen und auch vom gesundheitlichen Standpunkt, weil im allge- meinen mit dem Sinken des Grundwasserspiegels der Gesundheitszustand der Bevölkerung sich hebt. Aber daneben ist der wissenschaftliche Standpunkt wohlberechtigt, und von diesem aus ist es zu bedauern, daß mit der Kultur der Moore ein charakteristisches Landschaftsbild und eine eigenartige Pflanzen- und Tiergemeinschaft für immer dahin schwindet. Auf dem naßkalten Boden der Moore haben sich seltene Pflanzen- und Tierarten erhalten, darunter auch solche, welche teilweise bereits in frühester Zeit bei uns verbreitet waren und seitdem zum größten Teil eingegangen sind. Wie die großen Pflanzengemeinschaften, sind auch einzelne Pflanzen- arten örtlich von der Kultur bedroht. So ist die Eibe als wild wachsender Strauch in vielen Gegenden im Schwinden begriffen oder auch völlig ver- schwunden. Neben anderen Ursachen tragen besonders die Nachstellungen seitens des Menschen dazu bei. Einmal war schon immer ihr Holz sehr beliebt, da es ein vorzügliches Material für Armbrüste abgab, und deshalb wurden ganze Schiffsladungen Eibenholz vom Kontinent nach England ge- bracht. Sodann werden die dunkelgrünen Zweige gern zum Schmuck von Gräbern usw. verwendet. Ferner kann das Maiglöckchen, das in vielen Gegenden gemein ist, durch Unvernunft örtlich gefährdet werden. Es ist z. B. vorgekommen, daß ein Vater von 1l Kindern mit diesen zusammen in dem benachbarten Guts- wald alljährlich Maiblumen sammelte, welche dann für den Handel nach Berlin gesandt wurden. Von der Insel Rügen sind in einem Jahre nicht weniger als 3400 kg Maiblumen zur Ausfuhr gesammelt, wovon etwa die Hälfte nach Berlin ging. Es ist nicht zweifelhaft, daß durch eine so übermäßige Nutzung die natürlichen Bestände der Pflanze verringert und schließlich auch stellenweise vernichtet werden können. Damit schwindet ein reizvolles Moment unserer Waldespoesie, das Ad. Schutts so schön besingt:
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