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1. Heimatkundliches Lesebuch - S. 255

1912 - Danzig : Kasemann
255 Kardamoms usw., ein wesentlicher Anreiz gewesen sind. Diese Gewürze sind in jener Zeit, sowohl zum Genuß wie zur Verwendung in der Arzneikunde, nur den Reichen zugänglich gewesen. Heute gehören sie zu dem alltäglichen Vedarse des ganzen Volkes, und sie konnten diese Wandlung ihrer Wert- schätzung um so leichter im Laufe der Jahrhunderte durchmachen, als ihr Transport, ihre Aufbewahrung keinerlei erhebliche Schwierigkeiten bietet. Anders ist es mit den Früchten, von denen Apfelsinen, Zitronen, Rosinen, Mandeln seit langer Zeit zu den regelmäßig gehandelten Waren Danzigs gehören. Daß sie heute eine ganz andere Rolle spielen als vor 40 Jahren, ist ausschließlich die Folge der damals ungeahnten Entwickelung der Technik des modernen Verkehrs. Für Entfernungen gibt es heute eben kaum Grenzen. Heute sind Apfelsinen, Zitronen Gemeingut des Volkes geworden, im letzten Winter z. B. konnte man hier Apfelsinen in ungezählten Mengen zu 4—5 Pf. das Stück kaufen. Die westindische Banane, der australische Apfel, die kanadische Fruchtkonserve, die heute zum ständigen Bedarfsartikel ge- worden sind, hätten vor 40 Jahren Danzig überhaupt nicht erreichen können. Sie wären unfehlbar verfault hier eingetroffen. Es konnte daher einen solchen Handel nicht eher geben, als bis schnelle Dampfer mit Kühl- räumen den Verkehr ermöglichten. Damals, 1869, als noch kein Mensch an eine Gotthardbahn denken konnte, als man glücklich war, daß der Staat an den Bau der pommerschen Bahn ging, war die Zufuhr von Apfelsinen und Zitronen eine Angelegen- heit, die von weitesten Kreisen mit regem Interesse beobachtet wurde. Die Früchte kamen mit Segelschiffen aus Messina, und der ganze Kolonialwaren- handel verfolgte mit Spannung, ob der Segler im Januar richtig ankam. Die Firmen Garbe und A. Fast hatten den Löwenanteil an diesem Geschäft. Für die Lehrlinge, die gerade die Zollgeschäfte am Packhof zu erledigen hatten, war es überaus interessant, eine ganze Ladung dieser in Kisten wohl- verpackten schönen Früchte löschen zu sehen, die mit tunlichster Beschleuni- gung in Stadt und Provinz expediert werden mußten, deren Erwerb ihres hohen Preises wegen aber nur beschränkten Kreisen möglich war. Ebenso wichtig war die jährliche Zufuhr von Rosinen, Korinthen, Wal- nüsfen und Mandeln, die aus Griechenland, Italien (die Mandeln zum Teil aus Marokko) und Südfrankreich so rechtzeitig hier sein mußten, daß sie zur Weihnachtszeit richtig abgeliefert fein konnten. Hinderten Stürme die richtige Ankunft, so waren große Verluste damit verknüpft, denn diese Waren waren nach Weihnachten nur sehr schleppend verkäuflich, während vor Weih- nachten allein die Herstellung von Marzipan sehr große Mengen verbrauchte. Wie sieberhaft wurde dann aber auch nach Eintreffen gearbeitet, um alle Verbraucher noch rechtzeitig zu versorgen. Ich erwähne diese Dinge, weil heute jene Unsicherheit der Ankunft fast verschwunden ist. Die zahllosen Dampferlinien sorgen ziemlich wie ein richtig gehendes Uhrwerk für pünkt- liche Lieferung, und die Gefahr des Verderbs ist unendlich viel geringer geworden. Eines wird sich allerdings nicht verändert haben: das Interesse, das Lehrlinge an Rosinen, Korinthen und süßen Mandeln nehmen, und es wird auch wohl heute noch bei vernünftigen Lehrherren fo sein, wie ich es 1869 kennen gelernt habe, daß wir von diesen schönen Dingen nach Herzenslust essen durften. Nach acht Tagen hatten wir ganz von selbst genug. Heimatkunde, Ii. Teil. 17
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