1912 -
Danzig
: Kasemann
- Autor: ,
- Hrsg.: Gehrke, Paul, Schwandt, Wilhelm, Preuß, H., Hecker, Robert
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Seminar, Präparandanstalt, Mittelschule, Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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5 obersten Ämter') und die Landkomture, diese und die Provinzialkapitel die
Komture und die Pfleger.
Die Eigennützigkeit des Gemeinwesens gegenüber den Einzelgliedern, die
die Beamten ausdrücklich „mehr zu Dienern, denn zu Herren" stempelt, war
folgerichtig noch schärfer den gewöhnlichen Brüdern gegenüber ausgeprägt:
das Kapitel in den Statuten „vom Gehorsam" verlangt Demut, unbedingtes
Gehorchen und „Brechen des eigenen Willens in allen Dingen". Die Wider-
spenstigen sollen mit allen Mitteln zur Unterwerfung gebracht werden, „denn
wenn man den Aufrührerischen Schonung angedeihen läßt, so wird die Kraft
des Ordens geschwächt". Die Machtstellung des Ordens ist nächst Gottes
Gebot die oberste Richtschnur. — Bedenkt man, wie wenig in damaliger Zeit
der Gedanke der Unterordnung des Einzelnen unter das Interesse des Ge-
meinwohls, der der eigentliche Staatsgedanke ist, mit weit über die
Augenblicksbedürfnisse hinausgehenden Zielen namentlich in Deutschland noch
an Boden gewonnen hatte, so versteht man, welche Sonderstellung die ritter-
lichen Ordensgenossenschaften einnahmen. In ihnen waren infolge der Kon-
zentration des gesamten Strebens der Einzelnen auf ein Ziel ungeheure
Kraftmengen aufgespeichert, die da, wo es zu ihrer Auslösung kam, gewaltige
Wirkungen ausüben mußten. — Auch die Kirche und die rein geistlichen
Genossenschaften verlangten das unbedingte Jndienststellen der Einzelkraft;
sie waren aber gerade in der höchsten Bltitezeit die geschworenen Feinde des
Staatsgedankens, und eben jetzt hatten die in der Bildung begriffenen
Nationalstaaten gegen die Machtbestrebungen der Kirche von neuem das
Schwert erhoben, das der ermatteten Hand der Staufer entsunken war. Eine
Erziehung zum Staatsgedanken konnte also von der Kirche trotz ihrer den
staatlichen sehr verwandten Organisationsgrundsätze nicht ausgehen, sie er-
kannte nur einen Machthaber über den Völkern an: sich selbst. Die ritter-
lichen Ordensgenossenschaften dagegen waren zu Dreiviertel weltliche Or-
ganisationen, zu Kampf und harter Kolonisatorenarbeit bestellt und trotz des
mönchischen Charakters ihres täglichen Lebens von durchaus militärischem,
eroberungssüchtigem Geiste beseelt. Mit diesen weltlichen Zügen im Verein
mußte die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen unter die Interessen
des Gemeinwesens, die rücksichtslose Ausnutzung aller Kräfte für die Zwecke
des Ganzen notwendig zum Staatsgedanken hinführen.
Stark gefördert wurde diese Tendenz durch das Bedürfnis der Ritter-
orden nach dem Besitz größerer Landesherrschaften. Er wurde für sie
zur Lebensbedingung, ihre Machtstellung hing wesentlich von der Größe
ihres Besitzes, der Quelle ihrer Einkünfte, ab. Allerorten waren sie daher
eifrig bemüht, ihn zu mehren. Im Anfang waren es vorwiegend Zu-
wendungen mildtätiger und um ihr Seelenheil besorgter Menschen, die den
Besitz der Orden ausmachten; sobald aber einiger Wohlstand erreicht war,
sich Die ö obersten Gebietiger waren die nächsten Gehilfen des Meisters; nach ihm nahm
den höchsten Rang in Friedenszeiten der Großkomtur ein, im Kriege der Marsch all.
Der Spittler chatte das Hospitalwesen, der Drapier die Bekleidung und Ausrüstung,
der Treßler die Finanzen unter sich. Land me ist er hieß der Verwalter jedes größeren
nicht im^ Gebiet des Hanpthauses liegenden Bezirks; Komtur der Vorsteher eines größeren
„Hauses" (Burg) mit dem dazugehörigen Gebiet. Was der Stellung dieser Beamten be-
sondere Stärke verlieh, war die Vereinigung des obersten Verwaltungsbeamten und des
obersten militärischen Befehlshabers in einer Person. Ihre Selbständigkeit und Macht-
befugnis waren außerordentlich groß.
Heimatkunde, Ii. Teil.
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