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1. Heimatkundliches Lesebuch - S. 415

1912 - Danzig : Kasemann
415 werten, in denen der Orden herrschte, kämpfte und seinem Ringen den Fluch des Unheils beschieden sah. Eben in der Eigenart des Ordens lagen aber auch Momente seines Niedergangs. In ihm selbst klaffte der Widerspruch zwischen geistlichem und weltlichem Wesen, den er nicht überbrücken konnte, nur daß er im mühsamen langen Prozeß innerer Umbildung den irdischen Interessen mehr und mehr Einfluß und Vorherrschaft einräumte, nicht aber jener religiösen Begeisterung treu blieb, die ihn in den Zeiten der Kreuzzüge hatte erstehen lassen. Die Bischöfe Preußens sahen in ihm den weltlichen Gebieter, der mit kirchlichen Gerechtsamen ausgestattet war, nicht eine Genossenschaft, die wie sie selbst im Wesen der Kirche als geistiger, rechtlich geordneter Lebens- macht ihren Ursprung hatte. Der Adel Preußens, durch den Orden ins Land gezogen und mit Besitz loie Vorrechten aller Art ausgerüstet, empfand allein den Druck der Landesherrschaft und ihrer Anforderungen in Krieg und Frieden. Aus seinen Reihen stieg kein Mitglied empor zu den einfluß- reichen Ämtern, am wenigsten zu denen der großen Gebietiger oder gar zur fürstlichen Würde des Hochmeisters, da sie den Oberdeutschen aus Franken, Schwaben und Bayern übertragen zu werden pflegten. Seine Söhne waren unter den Rittern und geistlichen Brüdern kaum mehr als geduldet, unter Einwanderern also, die keinerlei Bande des Blutes oder der Verwandtschaft mit den Bewohnern ihres Gebietes innerlich verknüpft hätte. Dem Adel — und ebenso dem Patriziat der Städte — fehlte die Möglichkeit einer Anteil- nahme am Regiment, an der Politik des Staates, dessen Inhaber erst seit Ansgang des vierzehnten Jahrhunderts zögernd zur Einberufung ständischer Versammlungen sich entschloß. Wie viel besser doch hatte es der Adel im benachbarten Polen, wo seine Vorrechte durch das Wahlkönigtum Ludwigs des Großen und des ersten Jagiellonen gefestigt worden waren. Während der Adel ver Neumark dies Land mit verderblicher Unruhe erfüllte, zum König von Polen neigte und trotzig dem Gebote des strengen und durch- greifenden Landesherrn widerstrebte, der anders zu befehlen verstand als der Luxemburger, zeigten sich, nicht zufällig zuerst im Kulmer Lande, die Spuren der „Eidechsengesellschaft". Noch mochte der Hochmeister Konrad von Jungingen (f 1407) diesen Bund des Adels als harmlos auffassen — erst in späterer Zeit wurde er gefährlich —, bezeichnend genug aber war es gerade der Bannerführer des Kulmischen Adels, Nickel von Renys, der im Augenblick höchster Not bei Tannenberg an seinem Herrn zum Verräter wurde. Zu allem hinzu kam der Gegensatz der städtischen Interessen zu denen des Ordens. Gewiß, er hatte auch ihnen Schutz und Förderung an- gedeihen lassen Noch unmittelbar vor der Katastrophe hatte er ihnen ge- holfen mit Darlehen, mit Verzicht auf Abgaben, zu ihren bürgerlichen Festen erkleckliche Summen beigesteuert. Ihre Wege jedoch begannen von dem Augenblick an sich zu trennen, da der Orden in bald größer werdendem Umfang zum Eigenhandel überging, da seine Beamten im Lande selbst Ge- treide ankauften, um es ins Ausland auszuführen und von dort Waren zurückzubringen. Die Beteiligung der Landesgewalt am Handel und Geld- geschäft weckte den Neid der Städter, deren zartbesaitete Moral an den Darlehnsunternehmungen Anstoß nahm; konnten sie doch darauf verweisen, daß gerade von ihnen, den Söhnen der Kirche, das kirchliche Verbot des Zinsgewinns häufig übertreten wurde. An handelspolitische Maßnahmen Heimatkunde, Ii. Teil. 97
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