1. Sagen
- S. 102
1912 -
Berlin
: Oehmigke
- Autor: Nohl, Walther
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Brandenburg
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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nehmen, und noch heute trägt der Schloßherr eifrigst für die Er-
haltung der zahlreichen, schönen Ringelnattern Sorge, die zur
Zeit des Sonnenscheins auf Wegen und Beeten des Schloß-
parts spielen. August Trinius (Märkische Streifzüge).
78. Die Weiber von Drossen.
Die gute Stadt Drossen war in tausend Ängsten. Der beute-
gierige und ausschweifende Herzog Hans von Sagan, den sie auch
den „bösen Hans" nannten, hatte sie bedroht, weil angeblich
einer der Mannen des Herzogs von der Stadt gefangen gehalten
wurde. Da aber der Rat von Drossen nicht das geringste von
einem solchen Gefangenen wußte, konnte er diesen auch nicht
ausliefern und weigerte sich, das verlangte Sühnegeld zu zahlen.
Da ritt der Herzog, dem es nur auf einen Vorwand zur Plün-
derung ankam, mit einem Haufen Gewappneter gegen die Stadt,
und so stark war der Anprall, daß der Rat schon alles preisgeben
wollte, um nur das nackte Leben zu retten.
Da kam er aber bei den Frauen schön an. Die waren auch
zusammengetreten und hatten Beratung gepflogen, und bald
eilten alle nach den Stadtmauern, wohin sie große Kessel mit
siedendem Brei trugen. „Macht Platz, ihr Männer!" ertönte
es aus der Frauen Munde, „wir wollen dem Mordbuben die
Hölle heiß machen." Da gossen sie über die Brustwehr der Mauer
den zischenden Brei, daß er sich wie Lavaströme über die an-
stürmenden Feinde ergoß. Die flohen alle in wilder Hast und
mit schrecklichen Wunden bedeckt auseinander, ohne sich weiter
um den Herzog zu kümmern. Auch dieser erhielt seinen Lohn
mit einem Kübel voll heißen Breis, daß er querfeldein ritt und
nie wieder daran dachte, mit der Stadt Drossen in Fehde zu
treten. Von jenem Geschehnis soll aber das alte märkische Sprich-
wort herrühren: „Der Hans hat sich das Maul verbrannt."
Paul Kunzendorf (Sagen der Provinz Brandenburg.)
79. Der Riese von Züllichau.
Das Stadtwappen von Züllichau zeigt von altersher einen
Riesen auf einer Mauer zwischen zwei Türmen sitzend, der zur
Wehr eine Lanze in der Hand hält. Dieses Bild ist gestiftet zur