1911 -
Bühl (Baden)
: Konkordia-Verl.
- Autor: Hüffner, Jakob, Mattes, Friedrich Wilhelm
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Bürgerschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule, Bürgerschule, Töchterschule
- Regionen (OPAC): Baden
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Soldatenhorden bildeten sich Räuberscharen. Die Jugend war in Lln-
wissenheit und Rohheit aufgewachsen; Aberglaube und Laster aller Art
hatten in schrecklicher Weise überhand genommen. Infolge der inneren
Zerrüttung war auch die Kraft und das Ansehen Deutschlands nach außen
gebrochen; es hatte aufgehört, der erste Staat der Christenheit zu sein.
In den folgenden zwei Jahrhunderten trat Frankreich in den Vordergrund.
188. Ludwig Xiv. von Frankreich. 1643—1715.
a. Ludwig Xiv. kam, 5 Jahre alt, auf den Thron und regierte
72 Jahre. Er war ein prachtliebender und ehrgeiziger Fürst und regierte
nach dem Grundsätze: „Der Staat bin ich!" Zu seiner Zeit lebten
in Frankreich große und berühmte Männer, Schriftsteller und Künstler,
Staatsmänner und Feldherren. Seine Minister förderten Ackerbau und
Gewerbe, Kandel und Schiffahrt durch Anlegung vieler Kanäle. Trotzdem
kam das Land durch seine rücksichtslose Regierung an den Rand des
Verderbens.
Ludwig führte viele Prachtbauten auf und umgab sie mit großartigen
Gärten und Anlagen, besonders zu Versailles (wersaj, westlich von Paris).
Außerordentliche Pracht entfaltete sich an seinem Kofe. Solcher Glanz
verleitete die meisten Fürsten zur Nachahmung. Paris galt für den
Mittelpunkt feiner Lebensbildung. Alle Völker Europas richteten sich in
Sitten, Einrichtungen, Lebensart und Kleidung nach französischer Mode.
Die französische Sprache wurde nicht allein die allgemeine Kof- und Staats-
sprache, sondern auch die Umgangssprache der vornehmeren Stände. An
den Fürstenhöfen herrschte Verschwendung und Ansittlichkeit, indes die
Untertanen unter schweren Lasten seufzten.
b. Ludwigs stolzer Plan ging dahin, der erste und mächtigste Fürst
Europas zu werden. Darum wollte er vor allem sein Land vergrößern,
besonders auf Kosten des ohnmächtigen Deutschen Reiches. So nahm er
mitten im Frieden den bei Deutschland verbliebenen Rest von Elsaß-
Lothringen einfach weg. Im Jahre 1681 übersiel er plötzlich die freie
Reichsstadt Straß bürg und ließ sich von den Bürgern huldigen. Am
den Raub ungehindert begehen zu können, verband er sich sogar mit den
Türken, damals den gefährlichsten Feinden der Christenheit. Er veranlaßte
sie, in das Gebiet des Kaisers Leopold einzufallen. Im Jahre 1683 er-
schienen dieselben mit einem gewaltigen Keere vor Wien, und nur mit der
äußersten Anstrengung und Tapferkeit konnte sich die Stadt halten. Rach
60 tägiger Belagerung erschien ein Kilfsheer, welches die Türken in die
Flucht schlug. Iii, 179. Ludwig der Türkenbezwinger § 214d.
Die schrecklichsten Schandtaten beging jedoch Ludwig in einem Kriege
um die Pfalz (1689). Im Jahre 1685 starb der Kurfürst von der
Pfalz kinderlos. Seine Schwester Elisabeth Charlotte („Liselotte") war
mit dem Kerzog von Orleans, einem Bruder Ludwigs Xiv., verheiratet.
Vor ihrer Kochzeit hatte sie auf allen Besitz an Land und Leuten in Deutsch-
land verzichtet. Trotzdem forderte Ludwig die Pfalz für Frankreich und ließ
fein Keer in die Pfalz einrücken. Seine Mordbrennerscharen unter dem
General Melae sollten die Pfalz und die angrenzenden Länder in eine