1882 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Vier- bis sechsklassige Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
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freien Staaten des Altertums, was Rom und Sparta an Vaterlandsliebe
aufzuweisen haben, es übertrifft nicht das erhabene Gefühl, welches Preußen
jetzt entflammte. Die Flammen dieser Begeisterung wuchsen höher und
höher und stiegen aus zu einer Riesenlohe, daß ganz Europa sich daran er-
wärmte. Nicht anders, als wenn von jedem Hügel Alarm geblasen, der
Generalmarsch auf allen Straßen geschlagen würde, auf den Bergen die
Feuerzeichen gebrannt hätten, raffte sich jedermann auf und griff zu den
Waffen. Immer von neuem klang der laute Ruf durchs Land: Das Vaterland
ist in Gefahr! Begeistert hatte Theodor Körner gesungen:
Frisch auf, mein Volk! die Flammeuzeichen rauchen,
grell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
Du sollst den Stahl in Feindesherzen tauchen;
frisch auf, mein Volk! — Die Flammenzeichen rauchen,
die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht!
Alle Schichten des Volkes haben gleichmäßig ihr Höchstes eingesetzt; es ge-
bührt ihnen allen gleiche Ehre.
Daß in Preußen jeder nur irgend kampffähige Mann mit Begeisterung
zu den Waffen griff, ist nur die eine Seite der großen Leistung; die andere
eben so große war, daß jeder willig Hab und Gut opferte, um so große
Heeresmassen auszurüsten und zu ernähren, und daß alles Thun und Trei-
den nur aus diesen großen Zweck gerichtet war. „Große Opfer werden
von allen Ständen gefordert werden", hatte der König gesagt. Es
muß zur Ehre der Nation ausgesprochen werden, daß der Drang zum
Geben gleichen Schritt hielt mit der Freudigkeit, persönlich in den Kampf
zu gehen. Der Zudrang zum freiwilligen Eintritt war so groß, daß es
sehr viele gab, welche die Ausrüstung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten
konnten; auf diese besonders wandte sich zunächst die Teilnahme. Die
Zeitungen von Berlin, Breslau und Königsberg aus jener Zeit, in denen
diese Gaben, wie sie in diesen Hauptstädten eingingen, verzeichnet stehen,
werden immer ein schönes Denkmal des Ruhmes sein. Und doch sind diese
Aufzeichnungen nur ein kleiner Teil dessen, was wirklich in allen Gauen
aus den Altar des Vaterlandes gelegt worden ist. Viele wollten gern
geben, aber sie hatten nicht bares Geld, und auf dieses, meinten sie, käme
es allein an. Ihnen mußte gesagt werden, daß in einem Augenblick wie
der jetzige, wo der Staat nur durch außerordentliche Anstrengungen seine
Selbständigkeit erhalten könne, jedes Opfer für denselben viel Wert habe:
Pferde, Vieh, Getreide, Fourage, ungemünztes Silber, Waffen, Tuch,
Eisen, Stiefel, Schuhe, Leder, Strümpfe u. s. s.; ja selbst Fuhren, Handarbeit
u. s. s., je nachdem der eine dieses, der andere jenes geben oder leisten
könne, seien eine Unterstützung, eine Förderung für die gemeinschaftliche Sache.
Es ist rührend, was alles hergegeben wurde. Das Heiligste, was
man besonders hoch hält, was uns sonst unschätzbar ist, wurde freudig zum
Opfer gebracht. Man gab, was irgend möglich war. Staatsdiener, viele
im stehenden Heere dienende Offiziere gaben den vierten, selbst den dritten
Teil ihres Gehalts, verabschiedete Beamte und Offiziere einen Teil ihrer
Pension, einige die Hälfte, einige diese sogar ganz. Andere liehen dem