1889 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, E. von
- Hrsg.: Tromnau, Adolf
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Posen
Ortskunde.
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Seen auf und ist das Quellgebiet vieler Flüßchen, welche raschen Laufs der
Warthe zueilen. Zwischen Warthe und Odra und an der Brandenburger
Grenze ist die Ebene von mehreren kleinen Höhenzügen durchsetzt, welche nicht
selten schön bewaldet sind.
Die Fruchtbarkeit des ganzen Bodengebiets ist durchschnittlich zufrieden-
stellend. Schöne Wiesenflächen weisen die Thalfurchen der Warthe und Obra
auf; fruchtbarer Weizenboden ist in den Kreisen Schrimm und Schroda; aus-
gedehnten Hopfenbau treibt man besonders in den Kreisen Grätz und Neu-
tomischel, Weinbau auf den Hügeln bei Wollstein und Bomst. Außer den
bekannten Getreidearten wird auch besonders die Zuckerrübe in großem Maß-
stabe angebaut. — Die Gebiete zwischen der untern Netze und Warthe und
der Landstrich an der märkischen Grenze weisen dagegen leichten, unfruchtbaren
Sandboden mit ausgedehnten Waldungen (Nadelwald und gemischter Wald) auf.
Die Bevölkerung ist in den Ostkreisen überwiegend polnisch, in den
größern Städten und den westlichen Bezirken überwiegend oder auch durchweg
deutsch. Im Frühjahr ziehen Tausende von Landarbeitern nach den „Rüben-
ländern" der Provinz Sachsen und kehren zu Beginn des Winters mit ihrem
ersparten Verdienst wieder heim. Durch diese Wanderungen erwächst der ein-
heimischen Landwirtschaft insofern großer Schaden, als infolgedessen in vielen
Bezirken die Landarbeiter knapp und teuer sind.
4. Hrtslmnde.
a. An der Warthe: Posen, die Hauptstadt der Provinz, liegt zu beiden
Seiten der Warthe. Die Lage der Stadt in der Mitte der ganzen Provinz
und an einem schiffbaren Fluß bedingt größtenteils ihre geographische und
politische Bedeutung. Mit ihren 68300 E. ist sie die bei weitem größte
Stadt der Provinz, hat bedeutende Gewerbthätigkeit in allerlei Maschinen,
in Eisenwaren, Leder und Tuch und besitzt große Brauereien und Bren-
nereien. Handel und Verkehr wird besonders durch die 7 Eisenbahnstrecken,
welche nach allen Gegenden und Grenzländern der Provinz führen, gefördert.
Posen ist eine Festung ersten Ranges. Durch ihre Lage sichert sie die Herr-
schaft über die ganze Provinz und deckt die von Osten nach Berlin und Mittel-
deutschland führenden Straßen. Zu den Festungswerken gehören auch der
befestigte Bahnhof und ein Kranz von starken Forts. Als Hauptstadt der
Provinz und des Reg.-Bez. Posen ist die Stadt Sitz hoher Behörden,
als: des Oberpräsidiums, des Oberlandesgerichts, des General-Kommandeurs
vom V. Armeekorps, des General-Superintendenten, des Erzbischofs, der
Oberpostdirektion, der Regierung für den Reg.-Bez. Posen. — Der älteste
Stadtteil, meistens von ärmeren Volksklassen bewohnt, liegt auf dem rechten
Wartheuser. Hier erhebt sich auch der alte Dom, welcher die Gräber der bei-
den ersten christlichen Polenkönige birgt. Die eigentliche Stadt liegt auf dem
linken Ufer. Sie weist — besonders in der Neustadt — regelmäßige, schöne
Straßenanlagen und hervorragende Bauten auf, darunter das hochgetürmte
Rathaus, die Raczynskische Bibliothek, das neue Zeughaus, das neue Justiz-
gebäude u. a. Die Stadt hat 4 evangelische und 17 katholische Kirchen,
zahlreiche Wohlthätigkeits- und Heilanstalten. An Bildungsanstalten besitzt
sie zwei Gymnasien, ein Realgymnasium, mehrere Mittelschulen, viele Volks-
schulen , ein königl. Lehrerinnen - Seminar und eine Taubstummenanstalt.