1867 -
Breslau
: Max
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
anfangs über die Mummerei gelacht; aber nun mußte er Ernst
zeigen. Er ging schnell auf ihn los und belagerte ihn in Wetzlar.
Die Bürger dieser Stadt fürchteten sich vor Rudolph und lieferten
den Betrüger aus, der nun auf dem Scheiterhaufen seine kurz
genossene Ehre büßte. — So mußte Rudolph manchmal, ganz
gegen seine Natur, mit Härte verfahren. Das geschah auch gegen
die unzähligen Raubritter, die trotz aller seiner Verbote die Rei-
senden überfielen und die Schwächeren bekriegten. So ließ er ein-
mal in einem Monate 66 Raubschlösser zerstören und alle Ge-
fangene nach Erfurt bringen, wo die Edelleute enthauptet, die
Gemeinen aber aufgehängt wurden. Das half; im ganzen Reich
zitterten die Ungehorsamen vor seiner schnellen und strengen
Gerechtigkeit.
Ein Beispiel von seiner klugen Besonnenheit gab er in Er-
furt. Als er hier zu Gericht saß, trat auch ein Kaufmann aus
Lübeck vor ihn und klagte: er habe einem Gastwirthe in Erfurt,
den er für einen ehrlichen Mann gehalten, einen Beutel mit
Gold zum Aufheben gegeben. Jetzt, da er ihn wiederhaben wolle,
leugne der Mensch Alles ab. Der Kaiser ließ den Gastwirth
holen, der keck vor ihn hintrat und hoch und theuer versicherte,
er habe weder das Gold empfangen, noch kenne er den Kauf-
mann. Rudolph merkte aber bald an dem ganzen Benehmen
beider, wer der Betrüger sein mochte. Wie von ungefähr sprach
er zum Gastwirthe: „Ei! du hast ja einen recht herrlichen
Beutel an deinem Gürtel hängen!" Wirklich war dieser Beutel,
nach damaliger Sitte, mit silbernen Fransen und Ringen schön
verziert. Der Gastwirth nahm ihn geschwind ab, freute sich,
etwas zu haben, was dem Kaiser gefiele, und machte ihm ein
Geschenk damit. Indessen kam ein Diener herein, der dem Kaiser
etwas ins Ohr sagte; das benutzte dieser, in ein Nebenzimmer
zu treten, und hier schickte er einen Boten nach des Wirthes
Frau, der ihr im Namen ihres Mannes sagen sollte, sie möchte
doch einmal den bewußten Beutel mit dem Golde mitschicken;
zum Zeichen, daß diese Bestellung vom Manne selbst käme, sollte
er nur den gestickten Beutel vorzeigen. Das gelang. Die Frau
vermuthete keine List, und schickte das Gold. Nun trat Ru-
dolph wieder in den Gerichtssaal und fragte den Gastwirth, ob
er noch bei seiner Aussage bleibe? Der vermaß sich, er habe die
Wahrheit gesprochen. Da legte Rudolph ihm den Bentel des
Kaufmanns vor, und fragte beide, ob sie den kennten? Der