1913 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Kutsche, E., Koenig, W., Urbanek, Rudolf
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1895
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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gemein verbreitet ist. Gierig läuft das Wild unsrer Wälder nach
der Salzlecke; dem Kamel der Wüste ist ein Stückchen Steinsalz
die liebste Leckerei.
Wer kennt nicht die zahlreichen Anwendungen des Salzes
zum Aufbewahren von Fleisch und Gemüse, zum Einpökeln, zum
Düngen, ganz besonders aber zur Herstellung der Soda, auf der
die Fabrikation des Glases und der Seife mit allen ihren un-
entbehrlichen Produktionen beruht! Nicht der mächtigste Fürst,
nicht der ärmste Bettler kann des unscheinbaren Stoffes entbehren
— es ist so notwendig wie die Luft.
Das Salz, gewöhnlich Kochsalz genannt, ist die Verbindung
eines sehr leichten Metalles, Natrium, und einer eigentümlich gelben
Gasart, Chlor. Es wird vom Wasser aufgelöst, und zwar in dem
Maße, daß 100 Teile Wasser 27—28 Teile davon aufnehmen.
Sein Geschmack ist angenehm salzig. 2m reinsten Zustande ist
es weiß, durchsichtig wie Eis und in Würfeln kristallisiert. Das
natürlich vorkommende Steinsalz wird oft in kristallen von mehr
als 100 kg Schwere gebrochen. Dagegen bildet das aus dem
Meere oder den Solen durch Verdunstung gewonnene Salz kleine
weiße (undurchsichtige), vielseitige Trichterchen. Sechs solcher Trichter
mit ihren Spitzen zusammengestellt und darauf überall ausgefüllt,
würden einen Würfel darstellen.
Ist das Kochsalz für Menschen und die höhern Tiere ein
wichtiges Nahrungsmittel, so wirkt es auf eine große Anzahl von
niedern Tieren sowie auf viele Pflanzen als ein rasch tötendes
und zerstörendes Gift. Eine Landschnecke mit Salz bestreut, stirbt
bald; ein Frosch geht im Salzwasser alsbald zugrunde; ein Baum,
damit begossen, verdorrt binnen wenigen Tagen; die Blätter vieler
Kräuter schrumpfen zusammen, und Gras und alle Getreidearien
gehen davon ein. Dagegen gibt es aber auch eine große Anzahl
von Pflanzen und Tieren, die ausschließlich im Salzwasser leben
und gedeihen und denen das Süßwasser den Tod bringt.
Seit den ältesten Zeilen haben die Menschen Salz gewonnen.
Dem deutschen Boden entspringen unzählige salzhaltige Quellen,
die schon von den Ureinwohnern benutzt worden sind. Bei Bad
Nauheim in der Wetterau fanden sich vor einigen Jahren die
Reste ausgedehnter alter Salinen, wahrscheinlich von einem keltischen
Volksstamme herrührend, aus einer Zeit des Betriebes, wo die
Germanen noch nicht nach diesen Gegenden vorgedrungen waren.
Jene Salinen, aus allerlei tönernen Kochkesseln, Röhrenleitungen
und steinernen und bronzenen Geräten bestehend, lagen 3—6 m
tiefer als der jetzige Boden und waren bedeckt von Erdlagern,
worin germanische und römische Reste, Waffen und Begräbnis-
stätten gefunden wurden. Die Darstellung des Salzes war bei
den Germanen anfangs sehr einfach und roh. Sie schütteten das
Salzwasser auf Haufen glühender Kohlen und erhielten dadurch
schwarze, unreine, salzige Krusten, die sie zum Würzen ihrer Speisen
gebrauchten. Die Römer dagegen, die vor fast zwei Jahrtausenden
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