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1. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 83

1913 - Wittenberg : Herrosé
83 gemein verbreitet ist. Gierig läuft das Wild unsrer Wälder nach der Salzlecke; dem Kamel der Wüste ist ein Stückchen Steinsalz die liebste Leckerei. Wer kennt nicht die zahlreichen Anwendungen des Salzes zum Aufbewahren von Fleisch und Gemüse, zum Einpökeln, zum Düngen, ganz besonders aber zur Herstellung der Soda, auf der die Fabrikation des Glases und der Seife mit allen ihren un- entbehrlichen Produktionen beruht! Nicht der mächtigste Fürst, nicht der ärmste Bettler kann des unscheinbaren Stoffes entbehren — es ist so notwendig wie die Luft. Das Salz, gewöhnlich Kochsalz genannt, ist die Verbindung eines sehr leichten Metalles, Natrium, und einer eigentümlich gelben Gasart, Chlor. Es wird vom Wasser aufgelöst, und zwar in dem Maße, daß 100 Teile Wasser 27—28 Teile davon aufnehmen. Sein Geschmack ist angenehm salzig. 2m reinsten Zustande ist es weiß, durchsichtig wie Eis und in Würfeln kristallisiert. Das natürlich vorkommende Steinsalz wird oft in kristallen von mehr als 100 kg Schwere gebrochen. Dagegen bildet das aus dem Meere oder den Solen durch Verdunstung gewonnene Salz kleine weiße (undurchsichtige), vielseitige Trichterchen. Sechs solcher Trichter mit ihren Spitzen zusammengestellt und darauf überall ausgefüllt, würden einen Würfel darstellen. Ist das Kochsalz für Menschen und die höhern Tiere ein wichtiges Nahrungsmittel, so wirkt es auf eine große Anzahl von niedern Tieren sowie auf viele Pflanzen als ein rasch tötendes und zerstörendes Gift. Eine Landschnecke mit Salz bestreut, stirbt bald; ein Frosch geht im Salzwasser alsbald zugrunde; ein Baum, damit begossen, verdorrt binnen wenigen Tagen; die Blätter vieler Kräuter schrumpfen zusammen, und Gras und alle Getreidearien gehen davon ein. Dagegen gibt es aber auch eine große Anzahl von Pflanzen und Tieren, die ausschließlich im Salzwasser leben und gedeihen und denen das Süßwasser den Tod bringt. Seit den ältesten Zeilen haben die Menschen Salz gewonnen. Dem deutschen Boden entspringen unzählige salzhaltige Quellen, die schon von den Ureinwohnern benutzt worden sind. Bei Bad Nauheim in der Wetterau fanden sich vor einigen Jahren die Reste ausgedehnter alter Salinen, wahrscheinlich von einem keltischen Volksstamme herrührend, aus einer Zeit des Betriebes, wo die Germanen noch nicht nach diesen Gegenden vorgedrungen waren. Jene Salinen, aus allerlei tönernen Kochkesseln, Röhrenleitungen und steinernen und bronzenen Geräten bestehend, lagen 3—6 m tiefer als der jetzige Boden und waren bedeckt von Erdlagern, worin germanische und römische Reste, Waffen und Begräbnis- stätten gefunden wurden. Die Darstellung des Salzes war bei den Germanen anfangs sehr einfach und roh. Sie schütteten das Salzwasser auf Haufen glühender Kohlen und erhielten dadurch schwarze, unreine, salzige Krusten, die sie zum Würzen ihrer Speisen gebrauchten. Die Römer dagegen, die vor fast zwei Jahrtausenden 6*
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