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1. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 383

1913 - Wittenberg : Herrosé
appetitlich und in manchen andern Gewerben störend. Sie schließen aber geradezu aus von der Buchbinderei, Weißnäherei, Putz-, Spitzen- und Rüschenherstellung. Auch auf die Neigung ist Rücksicht zu nehmen. Wenn sich ein Kind nur aus äußern Gründen einem bestimmten Berufe zuwenden will, etwa einer Freundin zuliebe, oder weil es bei dessen Ausübung schön angezogen sein kann u. dgl., dann braucht man sich nicht an die Neigung zu kehren. Wohl aber soll der Neigung nachgegeben werden, wenn sie deutlich hervortritt. Geschickte Hände, verbunden mit Schönheitssinn, sind die besten Vorbedingungen für den Beruf als Schneiderin und Putzmacherin. Auffallendes Zeichentalent weist auf kunstgewerbliche Ausbildung hin. Tüchtigkeit in Deutsch und Rechnen befähigt für die Kontorlaufbahn. Freilich sind der Neigung durch die Geldmittel oft feste Schranken gesetzt. Diese lassen manchmal die erforderliche kost- spielige Ausbildung nicht zu. Das soll das Mädchen nicht mut- los machen. Wer mit reichen geistigen Mitteln einen unter- geordneten Beruf ergreifen muß. kann sich darin bald hervortun und seine Mitbewerber überflügeln. Dabei kommt man weiter und wird glücklicher als in einem höhern Berufe, zu dessen Aus- übung die Verstandeskräfte nur knapp zureichen. Die Ein- schätzung der Berufe nach der Vornehmheit ist zudem recht hin- fällig. Eine geschickte Putzmacherin oder Schneiderin ist stets ge- sucht und angesehen und wird auch gut bezahlt. Nicht auf den Beruf an und für sich kommt es an. sondern auf die Tüchtigkeit, mit der jemand seinen Beruf ausübt! Vor falscher Bewertung einzelner Berufe sei gewarnt! Manche Tätigkeit erscheint deshalb verlockend, weil sie bald baren Lohn einträgt; deshalb werden viele Mädchen Fabrik- arbeiterinnen, andre Laufmädchen. Der Wochenlohn reicht kaum für nahrhafte Kost, geschweige denn für Kleider. Schuhe. Wohnung u. dgl., aber die baren Mark blenden Eltern und Kind. Wie steht es nun mit dem Vorwärtskommen? Wenn das Lauf- mädchen mit dem niedrigen Lohne nicht mehr zufrieden ist, kann es gehen. Die Fabrikarbeiterin kann bei Akkordarbeit ihren Lohn nur dadurch steigern, daß sie geschickter wird und mehr Arbeit liefert. Die Heimarbeiterin muß die halbe Nacht zu Hilfe nehmen, um einen ausreichenden Verdienst zu erzielen. Manches Mädchen mit gesunden Gliedern führt ein Faulenzer- leben in der Zeitungs- oder in der Selterhalle. Es leistet keine eigentliche Arbeit, lernt nichts und hat natürlich auch keinerlei Aussichten auf ein Vorwärtskommen. Und lernen die Heim- arbeiterinnen etwa viel. wenn die eine Tag für Tag Knöpfe annäht, die andre Heftfäden entfernt, eine dritte Westenrücken einnäht? Hastige Arbeit zwar. aber es ist kein Fortschritt im Können und deshalb auch kein nennenswertes Aufrücken des Lohnes.
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