1913 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Kutsche, E., Koenig, W., Urbanek, Rudolf
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1895
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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freundlichen Eigenschaften in Weimar geliebt und verehrt. In
den schweren Kriegszeiten, die damals Deutschland heimsuchten,
nahm sie sich in ihrem Ländchen besonders der Verwundeten,
der Kranken und der Armen an, so daß sie als der „Friedensengel
der im Kampfe Verwundeten" gepriesen ward. Als sie dann das
Glück hatte, noch eine lange Friedenszeit zu erleben, führte sie
mit ihrem Gemahl ein stilles, glückliches Familienleben, umgeben
von blühenden Kindern und einem Kreise hervorragender Männer.
Die vortrefflichen Eigenschaften der Mutter sind später in
ihrer Tochter A u g u st a wieder aufgelebt. Sehr jung. am
11. Juni 1829, war diese Gemahlin des damaligen Prinzen Wil-
helm von Preußen geworden; aber sie war noch kein Jahr in
der neuen Heimat, als man schon von ihrer offenen Hand zu er-
zählen wußte. Schon damals hat sie manche Träne getrocknet,
viel Elend gemildert und namentlich auch vielen kränklichen
Kindern geholfen.
Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms Iv. im Jahre
1840 erhielt Prinz Wilhelm den Titel eines Prinzen von Preußen,
er war der Nächste am Throne; mit ihm fühlte sich seine Gemahlin
als die Nächste in den Pflichten dieser erhabenen Stellung. Wo
es eine Sammlung galt zu wohltätigen Zwecken, ein rasches Geben
bei plötzlichen Unglücksfällen, da war die Prinzessin von Preußen
die erste, die gab, die reichlich gab, oft über ihre Mittel. Nicht
selten mußte sie sich selbst einen Lieblingswunsch versagen, um nur
geben zu können, wie ihr Herz es wünschte. Und wo die Mittel
nicht zureichten, verkaufte sie von ihren Schmucksachen. Öfters
wohl scherzte der spätere Kaiser Wilhelm I. mit ihr über ihre
Passion des Gebens. Sie nahm die erstaunten Blicke ihrer
Schwägerin, der Kaiserin von Nußland. über ihre bescheidene
Kleidung hin und tröstete sich mit ihrem guten Bewußtsein.
Lange Jahre weilte Augusta am Rhein, da ihr Gemahl
damals den Posten eines Gouverneurs der Rheinlande bekleidete.
Koblenz ward ihr Lieblingsaufenthalt, und bis in ihr letztes
Lebensjahr kehrte sie gern dahin zurück. Hier begann sie auch zu-
erst in bezug auf barmherzige Liebe schöpferisch vorzugehen. Hier
konnte sie zum erstenmal in größerm Umfange betätigen, daß sie
fest gewillt sei. als Wohltäterin der Armen und Kranken in die
Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und die Mahnworte zu erfüllen,
die der Oberhofprediger Röhr bei der Konfirmation ihr zugerufen
hatte: „Wo auch dereinst Ihr Wirkungskreis sein möge. immer
mögen Sie sich bemühen. Tränen zu stillen, Wunden zu heilen.
Kummer zu lindern und frohe und glückliche Menschen zu machen."
In Koblenz rief Prinzessin Augusta wohltätige Anstalten ins
Leben. Sie kannte hierbei keinen Unterschied des Bekenntnisses;
allen Kranken- und Waisenhäusern wandte sie gleichmäßig ihre
Gunst und ihre Unterstützungen zu. Was aber noch wertvoller
war und ihr bald aller Herzen gewann, das waren die Besuche,
die sie selbst den Notleidenden und Hilfebedürftigen abstattete.