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1. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 443

1913 - Wittenberg : Herrosé
443 Ding der Unmöglichkeit gewesen. Sprache, Sitten und Lebens- gewohnheiten stehen sich hier durchaus gegenüber. So der Ver- lauf eines gewöhnlichen Tages. Sehr, sehr oft wird er durch mannigfaltige Vergnügungen und Geselligkeit unterbrochen. Es gehören dazu die in ganz Ostasien ungemein beliebten Picknicks. Jeder Haushalt stellt dazu, was ihm beliebt, und als Be- förderungsmittel für die Teilnehmer wird gewöhnlich der leichte, offene, von vier Chinesen an langen Bambusstangen getragene, aus Bambus geflochtene Stuhl benutzt. Gewöhnlich ist das Ziel irgendein nahegelegener Tempel, die stets in ihrer Umgebung schattige Haine oder Bambusgebüsche aufweisen, in denen die mannigfaltigsten Spiele geübt werden. In Schanghai haben die Damen einen eignen Klub gegründet, der ein prachtvolles Ge- bäude mitten in einer bedeutenden Eartenanlage zeigt, und in dem Herren nur auf besondre Einladung zu Spielen oder zur Unterhaltung Zutritt haben. Neben der Geselligkeit ist es der Wohltätigkeitssinn, der in hervorragendem Matze den gegen- seitigen Verkehr, die Annäherung und die Freundschaft befördert. Es gibt keine Dame im Osten, die nicht irgendeinem wohltätigen Vereine angehörte. Die erste große Schwierigkeit im Leben der Fremden ergibt sich in der Kindererziehung. Für den jungen Weltbürger wird eine chinesische Wärterin, eine sogenannte Ahmah, angenommen. Die ersten Sprachversuche bringen neue Schwierigkeiten, denn naturgemäß lernt der kleine Europäer neben seiner Mutter- sprache, und oft noch schneller als diese, den chinesischen Dialekt der Gegend, in der er gerade das Licht der Welt erblickt. Mit dem fünften Jahre etwa ist das Kind der alleinigen Obhut der Ahmah entwachsen, es erhält einen der Boys des Hauses zum ständigen Begleiter, ahmt die Bewegungsspiele der Erwachsenen nach oder unternimmt auf seinem kleinen schottischen Pony, be- gleitet von einem chinesischen Reitknecht, kleine Ausflüge in der Nähe des elterlichen Hauses. In diesem Lebensalter mutz auch die elterliche Erziehung besonders sorgfältig darauf sehen, daß sich nicht, wie dies leider vielfach der Fall ist, bereits bei dem Kinde eine vollkommene Verachtung der chinesischen Bevölkerung herausbildet. Ein Verkehr mit chinesischen Kindern ist auch hier fast ganz ausgeschlossen. Noch einige Jahre später — sofern die Familie überhaupt solange im Osten bleibt — verlangt die geistige Ausbildung gebieterisch die Trennung vom Elternhause. Die geselligen Äußerungen in Theatern und Konzerten sind der wundeste Punkt des ganzen Aufenthalts in China. Höchst selten geschieht es, daß irgendeine kunstreisende französische Operettengesellschaft in dem Saale irgendeines Hotels die alten Offenbachiaden kläglich aufführt; meistens ist der Europäer auf sich selbst angewiesen. Hin und wieder erscheint wenigstens an den Haupthäfen kometenartig ein Virtuose, meist aber hilft auch hier die Liebenswürdigkeit musikbegabter Damen. Der Hoch-
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