1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
losigkeit herrscht. Häufig zeichnen sich die Gebiete starker Pferdezucht,
z. B. Ostpreußen, durch entsprechende Haferkultur aus. — Der Buch-
weizen ist in seiner Genügsamkeit ein Segen für die dürren Hcide-
und die Moorgegenden. Der Spelz oder Dinkel ist fast ausschließlich
die Brotfrucht in Württemberg.
Das zehnmal so große Rußland baut nur dreimal soviel Getreide
als Deutschland, und da die anderen Staaten schon in der Zahl
hinter Deutschland zurückbleiben, obgleich sie teilweise, wie Österreich-
Ungarn, noch größer sind, so dürfen wir behaupten, daß Deutsch-
land den höchstentwickelten Ackerbau in Europa, ja, dürfen
wir hinzufügen, auf der Erde überhaupt hat.
Trotz der großartigen Getreideerzeugung können wir unsern eignen
Bedarf nicht decken. Es mußten 1902 über 4 Mill. Tonnen
eingeführt werden, und zwar reichlich 2 Mill. t Weizen
aus Argentinien, den Vereinigten Staaten, Rußland und Rumänien,
fast 1 Mill. t Roggen aus Rußland und Rumänien, reichlich
1 Mill. t Gerste aus Rußland, Österreich-Ungarn und Rumänien,
fast 1 Mill. t Hafer aus den Vereinigten Staaten, Rumänien und
Rußland. Von dem reichlich hergestellten Mehl kann llann etwa
1 Mill. 1 wieder ausgeführt werden, namentlich nach England.
Wie sehr sich der Ackerbau gegen früher gehoben hat, sehen wir
daraus, daß man jetzt mehr als das Doppelte gegen früher auf der-
selben Ackerfläche erntet. Dieser Fortschritt ist erreicht durch eine
gründlichere Bearbeitung, wobei man sich zweckmäßigerer Gerät-
schaften, z. B. neuer Pflüge und Eggen re., bedienen konnte, ferner
durch Übergang zu einer richtigeren Fruchtfolge, durch reichlichere
Erzeugung von Naturdünger infolge besserer Viehhaltung, durch
Entwässerung und durch Anwendung künstlichen Düngers.
Letzteres war erst möglich, nachdem die Wissenschaft, besonders Justus
von Liebt g, festgestellt hatte, welche mineralischen Nährstoffe die land-
wirtschaftlichen Gewächse erfordern. Von den verschiedenen künstlichen
Düngerarten sind besonders wichtig die Abraumsalze bei Staßfurt,
von denen besonders der Kainit seines Kaligehalts wegen in großen
Mengen benutzt wird. Ferner verwendet man den Guano oder Vogel-
mist, der sich namentlich auf einigen Inseln bei Peru findet, wo er in
30 m mächtigen Schichten vorkommt, nachgerade aber abgebaut ist. Im
Jahre 1899. führte man für 5 Millionen Mark Guano aus Peru
und Australien ein. Aus Chili holt man den Chilisalpeter.
Wichtig ist auch die Thomasschlacke. Seitdem man nämlich versteht,
aus den Eisenerzen auch den Phosphor zu entfernen, wodurch die Güte
des Eisens erhöht wird, besitzt die Schlacke wegen ihres Phosphor-
gehaltes einen hohen Düngewert. Andere künstliche Düngemittel sind
Knochenmehl, Fleischmehl, Gips, Kalk, Mergel. Der wertvolllte
Dünger ist aber guter Stalldünger.
In der deutschen Landwirtschaft sind über V2 Million Maschinen
aller Art tätig; und immer neue werden erfunden und gebraucht, je
teurer die Arbeitskräfte der Menschen werden.
Der Zuckerrübenbau wird nirgends auf der Erde so umfang-